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Auf dem Glemseck habe ich mich angesteckt. Bei diesen coolen, bärtigen jungen Männern, die sich bücken müssen, um ihre Maschinen zu schieben. Die ihre Knie auf ungesunde Weise falten um die Fußrasten zu erreichen, und denen trotzdem niemand vorhält, ihre Maschinen seien zu klein.
Und diese Maschinen! Nichts daran was nicht hingehört. Die Technik strukturiert, jedes Bauteil in schlichter Schönheit. Alles zusammen bildet eine individuelle, einfache Linie, von der Funktion geformt. Ich bin fasziniert davon, welche Schönheit in der veralteten Technik dieser Motorräder steckt, wenn man erst weiß, wie sie freizulegen ist. Die bewunderten Blicke, die die Monza beim Durchrollen der Händlermeile in ihrem relativ seriennahen Zustand zog, öffneten mir die Augen, was für eine großartige Basis mir in die Hände gefallen war. Ich schwor, mein Versäumnis nachzuholen: Ich werde sie zu meinem Café Racer machen, meinem individuellen Ausdruck von Freiheit.
In den Herbstferien kam meine Chance: Ich war allein zuhause und hatte Zeit für mich. Als an Halloween die Kinder um die Häuser zogen ging ich in der Garage mit der Metallsäge auf Alu los und trug so meinen Teil zur Stimmung der Nacht bei.
Als erstes wollte ich das Heck kürzen. Mir gefällt das eckige 80ger Design der Monza, dass auch viele Autos dieser Zeit trugen. Der rechteckige Frontscheinwerfer, der kantige Tank und auch die Sitzbank sollen bleiben. Ich wollte die Maschine optisch mit dem originalen kleinen Sitzbankspoiler enden lassen, als giftigen Schwung nach oben. Bei den meisten Racern endet der Sitzbankhöcker eher sanft nach unten, doch ich entschied der Monza dieses Charakteristikum zu lassen.
Also ersetzte ich das stählerne rote hintere Schutzblech sowie das Kunststoff-Werkzeugfach durch zwei Alubleche, die ich mit Aluwinkeln befestigte. An Winkelstücke schraubte ich auch die Blinker und das Rücklicht, dicht unter den Spoiler geduckt. Letzteres befreite ich von der ulkigen, länglichen Ummantelung und verbaute direkt das innere Gehäuse.
Das Kennzeichen sollte von zwei Alustreben gehalten werden, doch nach einem Fehlversuch ging der Restekiste das Material aus. Deshalb schraubte ich es provisorisch einseitig an. Das gefiel mir ziemlich gut, der Halter wirkt windig und provisorisch, als gehöre er nicht wirklich zur Maschine, aber müsse widerwillig dran, weil es ohne Kennzeichen nunmal nicht geht. Dem Gott der Physik gefällt er offenbar auch, denn während der Fahrt bleibt er total stabil, unbeeindruckt von Fahrtwind, Motorenvibration und Bodenwellen, was ich eigentlich kaum glauben kann.
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Als ich die teilzerlegte Maschine so vor mir hatte, ließ ich im Traum die unsägliche Autobatterie und den Luftfilterkasten verschwinden und malte mir ein Bild von dem gestrippten Racer, den ich bald daraus machen wollte.
Dieses Ziel vor Augen befestigte ich einen großen Teil der Elektrik auf die Schnelle mit Klebeband und versteckte sie zwischen den Seitendeckeln, woraufhin ich meinem Vater das Werk als Appetizer präsentierte. Ihm gefielen der gekürzte Look und meine Alukonstruktion, in die ich große Genauigkeit investiert habe. Mit seiner Anerkennung kam auch seine Unterstützung, die ich bald genug in Anspruch nehmen würde – insbesondere die Finanzielle.
Mit fortschreitenden Semester schwand meine Freizeit, ich fuhr (und vor allem schob) die Monza auf meinem täglichen Weg bis zum Einsetzen des ersten Frosts, dann begann ihre Winterruhe. Ihre letzte Trotzaktion des Jahres war die Kapitulation des Gasgriffes. Das verformte Kunststoffteil rutschte auf einmal über die Endanschläge hinweg, dann verlor es abwechselnd einen der Züge und schließlich blieb er beim Zwischengas mitten auf der Kreuzung einfach klemmen. Ich durfte den Not-Aus ziehen, die Maschine auf den nächsten Gehsteig schieben und in Lederkombi zur nächsten Vorlesung joggen.
Ich verspürte kein großes Bedauern, als ich sie für den Winter in die Garage schob, denn in ihrem schlechten Zustand hatte das Fahren in dieser Saison selten wirklich Spaß gemacht. Umso größer wurde aber mein Wunsch, ihr mit einem Umbau einen Neuanfang zu spendieren.