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Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

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motomatti
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Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von motomatti »

Frohe Ostern allerseits,

gestern fuhren wir zu zweit mit unseren Triumph-Dreizylindern durch das südliche Münsterland und sammelten die letzten Sonnenstrahlen ein. 20 km vorm Erreichen des Heimathafens wurde der Spaß eingebremst, weil der Triple des Gefährten nur noch auf zwei Zylindern muckte. Kurze Diagnose: Eindeutig irgendetwas mit der Zündung, weil der Drehzahlmesser mit dem linken Zylinder verheiratet ist und die beiden – Zündung und Drehzahlmesser – nur im Team funktionieren. Und aus der linken Tröte müffelte es erbärmlich nach unverbranntem Sprit. Um den technischen Fehler soll es hier nicht gehen, die Ursache ist halbwegs klar einzugrenzen und zu beheben.

Frage ist, ob man ruhigen Gewissens mit einem nicht zündenden Zylinder die Reststrecke reiten kann – im gemütlichen Trab, versteht sich – oder die Karre besser stehengelassen wird, um eventuelle Folgeschäden zu vermeiden.

Kern der Frage: Ist da etwas dran, dass das nicht verbrannte Gemisch den Ölfilm wegspült, im schlimmsten Fall der Kolben festgeht, im weniger schlimmen Fall zumindest mal ein erhöhter Verschleiß eintritt? Meine Einschätzung war: Kann man besonnen mit weiterfahren, ist nicht mehr weit, der Motor ein robustes Viech, die Sprit-Ölfilm-Geschichte aus dem gleichen Holz geschnitzt wie Schlinderbahn im Bauch nach zu viel Eis, Apfel und Wasser zusammen gibt Bauchschmerzen oder durch die Nase hochziehen verklebt das Hirn.
Erste Hilfe, wenn die Ursache nicht vor Ort zu beheben ist, wäre, die Spritversorgung am Vergaser des betroffenen Zylinders abzuknapsen. Kommste aber auch erst später drauf…

Frage also: Kann man in so einem Fall weiterfahren, ohne sich das Hirn über einen abreißenden Ölfilm zu zermartern? Wobei sich für mich schon der „gerissene Ölfilm“ verdächtig danach anhört, als hätten sich die Geschichten darüber fester ins angenommene Allgemeinwissen gefressen, als es ein Kolben das jemals in der Laufbuchse vermag.

Die Frage würde sich nicht stellen, wenn die Karre auf den letzten Kilometern komplett verreckt wäre. Ist sie aber nicht. Meine Empfehlung unterwegs war: Kannste mit weiterfahren, ich würd’s tun, wenn es meine wäre, die Hand lege ich dafür aber nicht ins Feuer. Eintrag im Logbuch: Ankunft im Hafen ohne erkennbare weitere Komplikationen.

Und nun? „Gerade nochmal gutgegangen, aber besser nicht machen“ oder „Klar, ist nicht schön, kann man aber bedenkenlos machen.“ Was stimmt?

Viele Grüße
Martin

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manne
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von manne »

jetzt gleich Zerlegen, Vermessen, mit den VOR dem Problem erfassten Zustandsdaten ( verdammt leigen wohl nicht vor..) vergleichen und sinnvolle Schlüsse daraus ziehen...

alles andere vermutlich sicheres Nebelstochern und Kaffeesatz sowie Glaskugellesen.. sorry meine ist grade nicht verfügbar...
auch andere 2 Zylinder können nett sein... .daumen-h1: und ebenso ein SIX-Pack... :dance1:

mapi
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von mapi »

Als Beispiel füg ich vorab mal drei Videos ein:







Im ersten kann man schon Anhand der Spritzuführung erkennen, dass da schon eine erhebliche Menge in der Brennkammer ist. Daher würde ich zumindest für die relativ kurze Zeit behaupten, dass es für den Zylinder zwar sicherlich nicht besonders förderlich ist, wenn da keine Verbrennung stattfindet, eine Schmierung an der Zylinderwand und am Kolben dürfte aber auch schon auf Grund des Sprits in rudimentärer und zumindest kurzzeitig ausreichender Menge vorhanden sein. Öl aus dem unteren Bereich des Motors ist ja ohnehin da. Hier quasi schonmal: "Gerade nochmal gutgegangen, aber besser nicht machen"

Im zweiten Video kann man sehen wie schnell so ein Motor eigentlich arbeitet. Zwar sind hier nur die Ventilfedern zu erkennen und auf 14K Umdrehung wird ein Dreizylinder auch nicht kommen, aber da sind schon erhebliche Geschwindigkeiten sowie Kräfte am Werk.


Insgesamt würde ich mir auch über die Pleuel, Kurbelwelle und die damit verbundenen Lager Gedanken machen. Durch das Fehlen der Explosion des einen Zylinders und damit der Unterstützung der Abwärtsbewegung werden die übrigen zwei Kolben, Pleuel und Lager entsprechend erhöht belastet. Einen gewisser Spielraum nach Oben hin, kann man hinsichtlich der Belastung der Lager sicherlich annehmen, aber auf Dauer wird das nicht gut sein.


Ich bin kein Motorexperte, aber rein die Überlegung wie so ein Motor arbeitet und welche Kräfte da wirken, kann eigentlich nur zu dem Ergebnis führen: "Gerade nochmal gutgegangen, aber besser nicht machen!"


Viele Grüße!

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motosite
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von motosite »

Sowas hatte ich vor über 30 Jahren an meiner Guzzi.
Bin damit ein paar hundert KM nach hause gefahren.
Zylinder und Kolben waren seitdem einige Male runter, Schäden sind keine zu sehen.
Der Motor läuft heute noch problemlos...

An meinem Toyota RAV4 hat ein sporadisch nicht zündender Zylinder allerdings wahrscheinlich den Katalysator gekillt.
Ciao,
Bernhard


Meine Guzzi

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DocShoe
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von DocShoe »

Moin,
so sehe ich es auch. N Kumpel ist mal mit ner durchgebrannten Zündung mit seiner ollen Behörden 75/5 aus Dänemark 300 km nach hause gefahren, nachdem er einen Sprithahn zudrehte. wie n moderner Einspritzer mit Kat, Regelventilen und wat weiss ich so ne Aktion abkann, sei dahingestellt.
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onkelheri
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von onkelheri »

Nunja, wenn es schon ein Einspritzer ist hätte man evtl den Düsenstecker ziehen können. Beim Vergaser den Unterdruckanschluß öffnen .. und wenn es um die Kerze einigermaßensauber ist, kann die auch raus. Das man damit im Schongang fährt sollte selbstverständlich sein. Es hat auch schonmal jemand die Schwimmerkammer abgebaut und den Schwimmer mit Tape, Gummiband hochgebunden, Kaugummi oder Pappstücke zum hochklemmen ginge wohl auch um die Spritzufuhr zum funkenlosen Zylinder zu unterbrechen. Falls man nicht wie oben erwähnt den Saft einfach abstellen kann ...

GrußHeri
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Ratz
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von Ratz »

Ich würde so nicht weit(er) fahren! Der unverbrannte Sprit wäscht natürlich den Schmierfilm weg, gelangt evtl. sogar in den heißen Sammler und entzündet sich dort.


Praktische Erfahrungen.

Bin mal mit einem Opel Rekord (alte Karre) unterwegs gewesen. Fing an zu klappern. Der Fehler waren defekte Muttern welche die Kipphebel an ihrem Platz halten sollten. Die Muttern sind oval und somit selbstklemmend, waren sie aber bei einem Zylinder nicht mehr und haben sich gelöst. Ich habe dann an diesem Zylinder die Kipphebel abgebaut und bin auf drei Zylindern 350km nach Hause gefahren. War Wochenende und keine Muttern zu kriegen. Fazit: Keinerlei Probleme, aber auch kein Sprit im Zylinder da die Kipphebel fehlten und die Ventile immer zu blieben. (Erstaunlicherweise war der Opel, trotz einem Zylinder weniger noch recht gut unterwegs.)

In einer der Werkstätten in der ich früher mal gearbeitet habe mußte ein Fahrzeug vernichtet werden. Also ran an den Spaß! Öl raus und mal kucken wie lange die Karre ohne Öl läuft. Satte 38 Minuten ohne nur einen Tropfen Öl ist der Motor gelaufen! In dem Fall greifen die sogenannten Notlaufeigenschaften. Ist der Schmierfilm weg schmieren noch eine gewisse Zeit extra dafür verbaute Materialien. Bei älteren Motoren wahrscheinlich mehr als bei modernen. Das geht natürlich nicht ohne Verschleiß der letztendlich zum Festgehen des Motors führt.


Zu deiner Frage.
Durch den unverbrannten Sprit versagt der Schmierfilm nicht sofort und vollkommen. Jedoch nimmt er stettig ab. Was an Öl nicht mehr vorhanden ist wird durch Notlaufeigenschaften ausgeglichen. Erhöhter Verschleiß tritt ein. Also bitte wenn möglich nicht machen.
Wenn du keine Angst vor dem Teufel hast brauchst du auch keinen Gott!

MartinM
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von MartinM »

Zündkerze vom defekten Zylinder raus.
Kein Unterdruck, kein Sprit.
Ängstliche Zeitgenossen können einen Filter für das Kerzenloch basteln.

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zippi
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Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von zippi »

Hallo

Habe bei meiner YZF das Problem gehabt, dass sich gerne eine Zündkerze verabschiedet hatte (durch Verölung, Ventilschaftdichtung am entsprechenden Zylinder defekt) bin dann immer noch weitergefahren ohne irgendwas zu tun, also nicht die Benzinzufuhr gestoppt oder so.
Das ist ein paar Jahre so gegangen, immer Mal wieder bin ich auf 3 Pötten heimgefahren bis zu 100km am Stück.
Die YZF läuft noch.

Grüße zippi

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Bollermann
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Wohnort: Köln

Re: Filmriss – Weiterfahrt mit zündfreiem Zylinder

Beitrag von Bollermann »

Bin zwar auch schon mit einer BMW und einem Zylinder 20Km nach Hause gefahren, was jetzt keine angenehme Erfahrung war, aber ich kann mir die Geschichten mit dem runtergewaschenen Ölfilm nur schwer vorstellen.
Die Schmierung läuft ja weiter und ist nicht an die Verbrennung gebunden.
Im Gegenteil; bei älteren Zweitaktern mit Gemischschmierung führt(e) längeres Bergabfahren mit geschlossenem Gasschieber immer zum Festgehen.

Außerdem kommt das Benzin/Luftgemisch auch beim gesunden Motor genau so rein und wirkt bis zum Verdichtungs-OT genau so lange auf die Kolbenlaufbahn wie im kranken. Und wo der folgende Arbeits- und Ausstoßtakt sich bei einer erfolgten Verbrennung positiver auf die Schmierung auswirken soll, als das bloße Rausschieben des nicht entzündeten Gemischs durch den Kolben, vermag ich nicht nachzuvollziehen.

Das ist wohl so eine Urban Legend wie das mit dem Zucker im Tank.
Kennt auch jeder und hat noch niemand je selbst erlebt.
Dissident in every respect

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