Danke Jungs. Freut mich, wenn es euch auch freut...
Gestern Abend sattelte ich die treue Gisela (180er Runner) und schlug pünktlich um 17 Uhr beim Bart auf. Die erstaunten Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer ob des in Ehren ergrauten Kringel-Smokings auf einem Roller habe ich einfach mal nicht ignoriert. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, eine neumodische Buckel-Kombi oder gar Textil anzulegen und habe meine alte Gericke-Pelle, die eigentlich seit 5 Jahren im Keller an der Wand ihre Rente bekommt, noch mal ausgegraben. Ein Mann muss wissen, wie man sich dem Anlass entsprechend angemessen kleidet.
Das Startprozedere. Einmal durchtreten, Zündung an, Choke ziehen und kräftig auf den Kicker gelangt. Gar nicht so einfach, weil selbiger sehr hoch angebracht ist. Für einen Zwanzigjährigen vermutlich kein Problem vom Kniewinkel, aber ich habe ja nun auch seit ein paar Tagen die 30 knapp überschritten.
Hat man das trotzdem hinbekommen, folgt eine Geräuschkulisse, die Angst macht. Es klötert, scheppert, rasselt und klappert zwischen der schmalen Verkleidung, dass die Trockenkupplung einer Duc sich dagegen ausnimmt wie Mozarts kleine Nachtmusik. „Warte kurz bis alle Zylinder da sind“ ruft der Bart aus dem blauen Nebel, der sich inzwischen in der Garage ausgebreitet hat. Aha. Ich weiß zwar nicht, wie ich das hören soll, aber gut. Nach zwei kurzen Lupfern am Gas dann aber die Erleichterung – das wollte ich hören. Sobald Last auf den per Zahnrad miteinander verbundenen Kurbelwellen ist, sind sämtliche Nebengeräusche schlagartig weg. „Achtung. Ist keine Zweifinger-Bremse“ bekomme ich noch freundlich mit auf den Weg, als ich vorsichtig aus Franks Garage rolle.
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Da wir zunächst durch andere Fahrzeuge etwas aufgehalten werden, braucht die RG etwas, bis die korrekte Temperatur anliegt. Dann allerdings bin ich rechtschaffen erstaunt. Der Motor lässt sich auch im mittleren Bereich durchaus fahren. Da die erste Zahl auf dem Drehzahlmesser eine 3000 ist, wollen wir über die darunter liegenden Zahlen genauso den Mantel des Schweigens breiten, wie Suzuki-San das einst tat. Aber von 4000 bis 6000 kann man durchaus im Verkehr sauber mitschwimmen. Man merkt sofort, dass man nicht in der Schnapsglas oder Viertelliter-Klasse unterwegs ist – Hubraum es eben auch beim Zweitakter nicht ganz doof.
Die Gamma braucht ungefähr 10 Minuten, bis sie warm ist. Ich brauche 15, bis ich merke, dass das Ding sehr schön rollt, ultrahandlich ist, tauglich bremst und ich mich überaus wohlfühle. Ich drehe zunächst das erste Mal über 7000 und sofort danach vollständig durch. SCHEISSE! Ich wusste ja, dass das cool werden wird, weil ich ja nun schon einige Zweitakter mit großem Genuß gefahren habe, allerdings nie mit mehr als 250 ccm. Das, was der SquareFour da aber im oberen Drehzahldrittel veranstaltet, ist nur schwer zu beschreiben und verstößt gegen alle guten Sitten. Endlich, endlich weiß ich, wie sich Barry Sheene, Kevin Schwantz & Co. gefühlt haben und warum man immer wusste: Typen, die sich freiwillig auf so einen Stuhl setzen, sind vollständig bekloppt. Ganz ehrlich? Die RG in Gang 2 und 3 sauber von 7000 bis 11000 durchzuladen, ist das Beste, was ich kradtechnisch bis jetzt erlebt habe. Und ich habe viele Motorräder ausprobiert – es gibt eigentlich weniges vom kurzhubigen und gierigen Supermoto-Eintopf bis zum aktuellen 200+ PS-Brenner, wo ich meinen Arsch nicht schon draufgesetzt habe, aber noch nie hat Beschleunigen so viel Spaß gemacht wie mit der Gamma. Kein Firlefanz, kein Schickimicki, keine Traktions- oder gar Anti-Wheeliekontrolle (Haha. Was für ein Schwachsinn. Gibt es etwas Schöneres, als wenn die Säge bis Gang 3 ohne Kupplungsgefummel artig Männchen macht?), keine USB-Schnittstelle, keine unterschiedlichen Fahrmodi, keine elektrischen Fensterheber…nur dieses vollkommen süchtig machende, hochfrequente Schreien. Ich bin völlig aus dem Häuschen und brauche nach den ersten 30 Kilometern zwingend Nikotin, um mal kurz runterzukommen und nicht auf der Karre vor Freude einen Herzinfarkt zu kriegen.
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Natürlich habe ich vorher recherchiert, was eine RG 500 mittlerweile wert ist. Das Problem ist aber gar nicht die Kohle, da kann man ja von Hypothek aufs Haus bis Kinder verkaufen irgendwas machen - man muss erst mal eine finden. Deswegen habe ich große Achtung vor dem lieben Bart, der mir das Ding einfach so locker in die Hand gedrückt hat - abkleben hin oder her - und noch so lustige Sachen sagte wie: "Du kannst ruhig bis 11 drehen - da passiert nix. Die hört dann einfach auf."
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Um den Spannungsbogen noch etwas aufrecht zu erhalten, verrate ich nicht, wer von uns beiden der Bart ist und wer ich bin. Aber ihr seid natürlich durch den Bilder-Rätsel-Beitrag enorm trainiert in sowas...
Gruß,
Markus