

(Ja, das ist tatsächlich eine offizieller Verbindungsweg zwischen zwei Dörfern hier in der Gegend - sogar Google Maps kennt den.)
Am selben Tag treff' ich noch einen jungen Kerl auf seinem Mofa, dem der Sprit ausgegangen ist. Aber ich hab kein 10er Schlüsserl dabei um die Sitzbank abzumontieren und ihm ein bissl Sprit aus meinem Tank zu geben. Also wird ein Satz Rändelmuttern gemacht und ab sofort kann man die Sitzbank Werkzeug-los abmontieren. Das Leben der XT ist immer noch gut.


Irgendwie haben sich in meiner Werkstatt mehrere Arrow Paris Dakar in Edelstahl-Ausführung angesammelt. Alle waren billig und einer davon sogar für eine XT gedacht. Das Leben ist gut und die XT etwas lauter. Die XT mag laut.

(Links XR600, rechts XT600 - der XR-Topf wird auf Sicht modifiziert, weil mehr Volumen, der XT-Topf kommt hier auf den Marktplatz)


Und weil das Leben gut ist, will man auch gute Dinge tun - ein Ölwechsel zum Beispiel...

Das Restl lässt sich halbwegs gut greifen und das Gewinde ist schnell wieder nachgeschnitten.


Es war ein ereignis-reicher Vormittag (schnell die Kupplung bei der VX800 meiner Stiefmama gemacht, meiner Oma (wieder mal) die Scheibtruhe gerichtet) und wie es halt so ist, zu Mittag ruft meine Liebste nach Hause zu Tisch, also rauf auf die XT und das Leben ist... nicht mehr so schön.

Der Rücklaufschlauch hat sich gelöst - kA hab ich den nur handfest angezogen oder war ich da abgelenkt, als ich ihn anziehen wollte?

Es sei in diesem Zusammenhang erwähnt, man kommt 1.6km weit, ab dem Zeitpunkt wo man Öl verliert, bis der Motor ausgeht.
Also Mittagessen abgesagt, alles mögliche organisiert, XT auf den Hänger verladen und heimgebracht und mich anderen Dingen gewidmet.

Die Kontrolle des Ersatzteil-Bestands ergab: ein sehr günstiger No-Name Gusskolben in 95.25, eine gute Nockenwelle und ein kompletter Kopf. D.h. mit einem Zylinder und ein bissl Glück (sprich kein Schaden an der Kurbelwelle), sollte sich der Motor recht kostengünstig instandsetzen lassen. Also den billigsten 95.00er Zylinder besorgt. Und wie sich noch rausstellen sollte, er war nicht ohne Grund günstig.


Ein Zylinderkopf-Schrauben-Gewinde war ausgerissen - kein großes Ding das ist ganz normales M8. Also einmal Helicoil zum Mitnehmen und "gut is".

Schockierender-weise war der Zylinder von der Bohrung her so gut, dass es fast schon eine Schande war, den aufs nächste Übermaß zu schleifen, weil der wäre am oberen Rand, aber doch noch für einen Standard-Kolben gut genug gewesen.


Da ich beim letzten verbliebenen Motoreninstandsetzer hier in der Gegend zuletzt ziemlich eingefahren bin (Zylinder kegelig gehont mit einem Kegel von 0.05mm von unten nach oben, deswegen die letzte Motorüberholung), habe ich beschlossen es dieses Mal selber zu machen. Und nein, nicht mit einer 3-Arm-Flex-Hone, sondern mit einem richtigen Honwerkzeug, in meinem Fall einer Lisle-Automotive-Hone aus der 16000er-Serie.

Eins gleich vorab: für einen einzelnen Zylinder lohnt sich das überhaupt nicht, besonders bei den Preisen in D, gehen sich 4-5 Zylinder aus, bis man nur mal das Honwerkzeug herinnen hat und dann braucht man noch einen Subito und Bügelmessschrauben.

Und dann begann ein (gefühlt) sehr, sehr langer Vormittag mit viel honen, messen, honen.
Im ersten Schritt mit einem 80er Stein auf 95.18mm.

Weil ich mich gelegentlich selbst verwirre, hin und wieder mit dem Messschieber gegenchecken

Dann fertig auf Maß bringen mit einem 120er Stein:

Und dann mit einem 180er und viel Diesel "dem Kind ein G'sicht verpassen" - soll heißen, dass es wieder ordentlich aussieht und der ganze Schleif-Abrieb aus der Bohrung gewaschen ist. Und: sauber ist es erst, wenn ein weißes Tuch mit Diesel drauf weiß/gelblich bleibt nach dem Ausreiben. Übrigens ein Arbeitsschritt, den man sich selber nach dem Motoreninstandsetzer gönnen darf. Denn, das frisst richtig Zeit.

Zwischendrin immer wieder mal gegenchecken mit dem Kolben, weil wer viel misst, misst viel Mist. Hier hats noch nicht ganz gepasst und wir reden hier von Bruchteilen von 100stel mm.
So und dann wirds ernst - Striptease o' clock. Ein Riesenvorteil, wenn man ständig seinen Motor ruiniert: Alle Gewinde sind dank Antiseize schön leichtgängig.



Der Kopf - schaut gut aus:

Ganz leichte Spuren an der Nockenwellenlagerung, aber da schaun andere XTs viel schlimmer aus.

Zylinder ziehen und jep, der Kolben hat es hinter sich - trotzdem, der Wössner Kolben ist schon ein harter Hund. Andere Kolben hätten da viel trauriger ausgesehen.



(Neuen) Kolbenbolzen ins Pleuel gesteckt und kein Spiel, die Kurbelwellen-Wangen haben auch keine Verfärbungen - also beschlossen, dass das alles noch in Ordnung ist. (Außerdem hat eine XT eine Rollen-gelagerte Kurbelwelle, die ist da ein bissl härter im nehmen.)

Kolben drauf, Zylinder drauf ...

... und das andere nicht-Helicoil-isierte Gewinde rausgezogen.

Wäre nicht so schlimm, hätte ich dabei nicht die Fußdichtung ruiniert und meine Reserve-Fußdichtung ist in der XT meines lieben Vaters die ich ein paar Tage vorher mit einer neuen Kopfdichtung versehen habe. Nach ein bissl Suchen, keine Fußdichtung zu kriegen im Großraum Linz. Also klassisch mit Dichtungspapier selber eine machen. (Achtung, ich bin kein König mit der Schere...)


Testweise am kaputten Zylinder montiert - meine Fußdichtung hat übrigens nur ein Loch für die Ölsteigleitung und keinen Ausschnitt, weil dort ist mir die Fußdichtung als erstes gerissen...

Tjo, so bin ich dann ein Stockwerk weitergekommen - im Kopf hat sich dann eines der Nockenwellen-Lager-Gewinde verabschiedet und offensichtlich ist mein M6-Helicoil-Eindreher hin. Also aus der Kiste mit den Schätzen ein Time-sert rausgefischt und das eingebaut. Vermutlich ab sofort das beste Gewinde am Ganzen Kopf.

Assembly is reverse-operation of disassembly. Da aber zu erwarten war, dass die Ölpumpe einen Moment braucht, war ich mit dem Assembly-Lube nicht sparsam.

Schaut wie vorher aus.

Und weil es "eh scho wuascht" war, gleich noch 2 neue Reifen spendiert und selber montiert. Mefo MFE99 mit extra-dicken Heidenau MotoCross Schläuchen.

Ach und der Motor?
Und die Oma hat die Furche im Schotter gnädig und wohlwollend ignoriert.
Ein paar Erkenntnisse zum Abschluss: Ich hab mich ja (zwecks Lebensdauer) auf den unteren Rand der Toleranz bei Kolben und Zylinder, was unpackbar knappe 0.045mm sind, eingeschossen. Zuerst wollte sie KAUM starten, dann ist sie mir auf den ersten 5km mehrfach ausgegangen, wie sie warm wurde und die ersten 100km waren eine Qual. Glücklicherweise war es feucht und kühl und ich hab (ausnahmsweise) meine rechte Hand unter Kontrolle gehabt. Erst bei KM-Stand 120-130 oder so, hat sich auch warm das Standgas auf die gleiche Drehzahl eingependelt und auch wenn man mal etwas länger an einer Ampel gestanden ist, nicht sofort in die Knie gegangen. Die Fahrleistungen anfangs waren ebenfalls UNPACKBAR schlecht. Sukzessive und mit viel Gefühl Leistung rausgekitzelt und jetzt bei ca. 170km ist der Motor endlich nicht mehr "teigig" und geht auch (mit Koffern) mal kurz 130... was ich damit sagen will, ja so kriegt man sicher das Maximum an Lebensdauer raus aus dem Motor, aber er verlangt beim Einfahren schon nach einer sehr vorsichtigen Hand.
Ach und: die zwei Punkte weniger Verdichtung merkt man schmerzlich. Mein Tacho, weil von einer DT80, geht nur bis 140 und das war mit hoher Verdichtung für mich einfach nur der Punkt, wo man auf der Autobahn mal vom Gas gehen sollte, jetzt ist es noch ein sehr fernes Ziel...
Das Original am Blog: https://greasygreg.blogspot.com/2022/04 ... -time.html