Ich war nicht deprimiert, als der letzte Fahrtag – die Rückfahrt von Limone nach Pfunds – anbrach. So schön die Tour war, hinterlässt eine Woche bei überwiegend recht hohen Temperaturen auf dem Motorrad doch seine Spuren. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, bin ich schließlich keine 20 mehr. Dazu kommt noch, dass es einen Hauch anstrengender ist, eine 10.25:1-verdichtete 850er zwischen 5 und 8 mal am Tag bei 29 Grad im Schatten zu Fuß zum Leben zu erwecken, als in der Zeit zart mit dem rechten Daumen auf ein Knöpfchen zu drücken. Allerdings konnte ich damit auch Hohn und Spott ob meiner gelegentlichen Getränkewahl am Ende eines Fahrtags auskontern. Ich trinke sehr gerne als erstes Kaltgetränk zum runterkühlen gelegentlich mal einen Aperol Spritz, weil mir die Kohlensäure im Bier manchmal auf den Sack geht. Auf den freundlichen Hinweis meiner Kollegen, dass das ja wohl ein lupenreines Frauengetränk sei, konnte ich dann wenigstens erwidern, dass ich beim Après-Race gerne meine weibliche Seite raushängen lasse, da mir die Kickerei tagsüber ausreichend männlich erschien, wohingegen die Knöpfchen-Fraktion natürlich markig beim Männerbier bleiben muss, um nicht aus Versehen in eine andere Ecke gegendert zu werden.
Da zum ersten Mal im Lauf der Reise für den Nachmittag schlechteres Wetter zu erwarten war, beschlossen wir, auch den letzten Fahrtag zugunsten einer frühen Ankunftszeit in Pfunds etwas abzukürzen – schließlich wollten wir noch verladen um uns am nächsten Morgen zeitig auf den Rückweg machen zu können. Also beschlossen wir, den eigentlich geplanten Gavia links liegen zu lassen und stattdessen das eher langweilige Vinschgau zu durchqueren. Ein sehr schönes Stück Straße war kurz vor Erreichen des Vinschgau noch das sogenannte Hofmahd-Joch. Allerdings sollte sich herausstellen, dass ich dort erneut von meinem Krümmer-Trauma heimgesucht werden sollte. Dazu muss man wissen, dass mir auf der Seealpen-Tour mit Jo letztes Jahr am dritten Fahrtag beide Krümmerrohre des liegenden Zylinders an meiner S4R sauber an der Flanschplatte abgerissen sind. Da Aufgeben keine Option war, handelten wir letztes Jahr nach dem Motto „Mit Panzertape und Rödeldraht kommst du bis nach Stalingrad“:
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Mit der Nummer (hieß natürlich 2-3 mal am Tag nachrödeln und gelegentlich neuen Draht verbauen) haben wir die Route des Grandes Alpes letztes Jahr geschmeidig zu Ende geritten.
Am Hofmahd-Joch vernahm ich, dass die Norton am Auslass etwas abblies und stellte dann fest, dass die linke Krümmermutter lose war. Vermutlich habe ich das deutlich zu spät festgestellt, denn leider musste ich diagnostizieren, dass das Innengewinde im Kopf final tot war. Sehr, sehr ärgerlich, weil sich sowas natürlich nicht mit Mitteln aus der Hausapotheke eines gemeinen Murksers wie ich einer bin, instand setzen lässt. Provisorisch ließ sich das natürlich wieder mit Draht flicken, so dass die wilde Fahrt wieder weiter gehen konnte:
6_IMG_8744 Rödeldraht Norton.JPG
Im Vinschgau angekommen, zog sich der Himmel dann final zu und es begann zu tröpfeln, so dass wir bei der letzten Rast beschlossen, die Regenpellen anzuziehen. Das war die richtige Entscheidung, denn die letzten 1,5 Stunden der Rückfahrt regnete es dann sauber durch. Kein Grund sich zu beschweren, wenn man 5 Tage keinen Tropfen gesehen hat – trotzdem ist das Geeier im Nassen ungleich anstrengender als fröhliches Qualifying im Trockenen, deswegen waren wir natürlich durch, als wir Nachmittags wieder in Pfunds aufschlugen. Auf den letzten 200 Metern vor dem Hotel riss erst der Himmel auf und dann der Rödeldraht und das traurige Geklapper der alten Nordhorn, bevor ich sie abstellte, klang irgendwie altersschwach und nach Geriatrie. Egal – die Dame hatte nicht nur durchgehalten, sondern mir überaus viel Freude bereitet. Druckvoller Motor, Top-Fahrwerk, brauchbare Bremsen – mehr braucht kein Mensch.
Irgendwie sehen Menschen in Regenzeug immer völlig bescheuert aus:
6_DSF5716 zurück in pfunds.jpg
Deswegen beeilten wir uns erstens, uns davon zu befreien und zweitens schnellstens ein Ankunftspils zu organisieren:
6_IMG_E6160 ankunft pfunds bernd jo markus.JPG
Nachdem wir uns das auf die Leber gekippt hatten, konnten wir die drei treuen Zossen geschmeidig wieder verladen.
6_IMG_E6181 die bellas sind verladen für die rückfahrt.jpg
Die Rückfahrt am nächsten Tag verlief – ebenfalls wieder bei Top-Wetter – genau so unauffällig wie die Anreise eine Woche zuvor.
Damit habe ich fertig. Ich danke euch sehr für das Interesse und die freundlichen Kommentare. Ist zwar etwas Arbeit, sowas alles aufzuschreiben, aber ich mache das manchmal sehr gerne. Es hat für mich eine Art therapeutische Wirkung, Erlebtes in geschriebenes Wort zu bringen – das ist so ähnlich, wie wenn man beim Dönermann einmal das Komplettprogramm mit Zwiebeln & Knoblauchsoße geordert hat und zwei Stunden später aufstoßen muss. „Ach, da isser wieder – Mann, war aber auch wirklich lecker!“ denkt man dann...
Gruß,
Markus
(hat ausgerülpst)