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Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 16. Sep 2019
von Bambi
Hallo zusammen,
ich fahre - die Kreidler-Zeit mitgerechnet - seit Oktober oder November 1973 mit motorisierten Zweirädern. Nicht mehr so intensiv und ausgiebig wie in meinen jungen Jahren, aber durchgängig. Außerdem habe ich, mal mit mehr, mal mit weniger Fortune immer an meinen Mopeds geschraubt und auch einige Sachen umgebaut. Von den hier oft gezeigten tollen Ergebnissen bin ich aber weit entfernt und war oft darauf angewiesen, daß mir Freunde (oder gelegentlich gar Profis) bei der Verwirklichung meiner Ideen helfen mussten.
Welcher Stil gerade angesagt war ist mir schon immer Schnuppe, wenn das Moped Spaß macht und vor Allem gut fahrbar ist genügt mir das. Wer - außer denen, die es erlebt haben - würde denn glauben, daß ich mit diesem Gerät im heimischen Winkelwerk Superbikern ein ungläubiges Staunen ins Gesicht zaubern kann ...
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Ich teile Motorräder durchaus in Gattungen auf (Geländesportler, Scrambler, Classic Superbikes und aktuelle, Caferacer, Naked Bikes, Chopper usw. usw.) weil ich das für übersichtlich halte. Aber einen Lebensstil oder gar -regeln leite ich daraus nicht ab ...
Schöne Grüße, Bambi
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 16. Sep 2019
von FEZE
Sehr geehrter Herr Martin58,
Wenn ich gewillt und imstande wäre mich derartig verbal nach vorne zu orientieren, hätte es weniger BAckpfeifengesichter gegeben in meinem Leben.
Hochachtungsvoll
F.EZE
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 16. Sep 2019
von sven1
Moin,
ich halte es da ehr mit Andreas, bloß das ich mit Fahrrädern begonnen habe. Alles ab was stört und leichtes Tuning. Schon vor 35 Jahren das erste Fixi gebaut und BMX Räder aus alten Minirädern selber hergestellt weil es so etwas in D nicht zu kaufen gab.
Moped: Ich bin alt genug um die ollen Karren noch auf der Straße gesehen zu haben, gefallen mir bis heute besser als die Vollverkleideten Supermotopitwanderreisesupersportenduro.
Ansonsten halte ich seit 40 Jahren an meiner Einstellung fest, ich mache was mir Spaß macht ob andere das mögen oder nicht...egal.
CR ehr durch Zufall reingestolpert, weil es geschmacklich in meine Richtung geht.
Grüße
Sven
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 19. Sep 2019
von caffbeemer
Mahlzeit,
kennt hier noch jemand den imho sehr guten Film "Brazil"? U.a. mit Robert de Niro als Anarcho-Klempner? In diesem feinen Werk erinnert micht besonders eine Szene an die aktuelle Diskussion - "Mein Komplikation hat eine Komplikation".
Soll übertragen heißen, die Auffassungen, Interpretationen und Meinungen zum Thema haben sich in den letzten 6 Jahrzehnten deutlich verändert, wurden ausgeweitet, sind nicht nur an den Rändern ausgefranst sondern haben sich imho auch merklich vom tatsächlichen Ausgangspunkt entfernt.
Ein Cafe Racer ist erst mal nichts anderes als eine spezifische "Gattung" eines Motorrades. Ein CR fiel nicht vom Himmel, sein Bauplan wurde nicht in z.B. 10 Zeilen in Stein gemeißelt auf eine Bergspitze gebeamt. Als posthum apostrophierter Ausgangspunkt eines "Lifestyles" (oder von mir aus auch einer "Religion") taugt ein CR also nicht. Passiert aber trotzdem, täglich und so ziemlich überall.
Ohne Zweifel ist ein CR jedoch ein stilprägendes Element, das durchaus gewollte Unterscheidungen verdeutlicht. Womit man schon recht nahe am Grund für die Existens eines CR angekommen ist. Bis in die 50er gab es neben "normalen" Motorrädern nicht viel, von "Werksrennern" (meistens nah an der Serienbasis) und einigen Offroad-Umbauten sowie "Sonderformen" (z.B. Megola, Böhmerland, etc.) mal abgesehen. Die heute "klassischen Gattungen" wie Scrambler, Enduro, Bobber, Chopper, etc. und eben auch Cafe Racer gab es noch nicht.
Der gelangweilte Youngster im edwardianischen Rest-Empire hatte ab ca. Mitte der 50er etwas Geld in der Tasche, verfügte über "Freizeit" und hatte eher wenig Lust auf Konformität, d.h. auf so ziemlich alles "Vorgelebte". Also musste sich etwas ändern - z.B. Musik, Haarschnitt, Kleidung und natürlich der soziale Umgang mit dem anderen Geschelcht.
Die Story ist bekannt - und wiederholte sich aus ziemlich ähnlichen Gründen mit variierenden Inhalten über die nächsten Jahrzente.
Autos waren in den 50ern zu teuer, als bevorzugtes Fluchtgerät aus konformistischen Zwängen drängte sich das Motorrad auf. Natürlich wurden auch "Heroes" zur Identifikation benötigt, hierunter findet man dann vornehmlich zeitgenössiche Rennfahrer und RnR-Musiker.
Selbstverständlich musste auch das Motorrad evolutionär Schritt halten - Serienteile abgebaut, Stummel, Höcker und Megaphone angebaut. Damit gings dann zum favorisierten Treffpunkt - oftmals Road Side Cafes, die mit der wachsenden Verkehrs-Infrastruktur wie Pilze aus dem Boden schossen. Eines davon war das Ace Cafe im Nordwesten Londons.
Es ist klar erkennbar, das der CR nicht Ursprung, sondern vielmehr bewußt geschaffenes Stilmittel des später als "Youth Rebellion" bekannt gewordenen "Phänomens" war.
Der CR in technischer Hinsicht sollte vorzugsweise all das halten, was er stilistisch versprach - schnell, handlich, hörbar, sexy, anders...
Da wir heute (und schon lange) ja alle vermeintlich wissen, wie enorm "golden" die 20er gewesen sein müssen, sollte man mal noch Lebende hierzu befragen. Die Antworten dürften für den "Normalbürger" ernüchternd bis tendenziell desillusionierend oder gar Ideale zerstörend ausfallen.
Nicht anders verhält es sich mit posthum zu "den guten alten Zeiten" verklärte Dekaden, Styles, Bewegungen, etc. Manche Aspekte hiervon waren und sind durchaus relevant, das meiste ist ziemlich austauschbar und der menschlichen Eigenschaft geschuldet, eher die Vergangenheit als die Zukunft positiv zu sehen. Was ja auch auf Grund des Konzepts des sterblichen Daseins absolut nachvollziehbar ist.
Schaut man also etwas nüchterner auf die Zusammenhänge, ist ein CR vormehmlich ein Motorrad. Etwas anders aufgebaut, mit einigen Spezifikas, jedoch immer noch ein Motorrad, dessen vornehmste Eigenschaft darin besteht, gefahren zu werden. Dies dann vorzugsweise besser, zumindest nicht schlechter als das, was die Ausgangsbasis hergab.
Dennoch macht es ja nun mal einen Unterschied, ob man mit einem Langgabel-Chopper oder einem CR an seiner bevorzugten Wasserstelle aufläuft. Das ist nun mal stilprägend. Zudem wissen wir ja alle, dass es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck gibt.
Technisch gesehen kann ich einen Chopper fahren, ohne ein Chopperfahrer zu sein. Sozio-kulturell ist das schon erheblich schwieriger zu trennen, zumindest beim Einlauf am "Biker-Treff".
Offensichtlich benötigt eine immer konformer werdende Zeit (siehe Auto-Designs, Musik, etc.) immer feiner skalierte Marken zur Unterscheidung von anderen. Also pinnt man sich was auf die Jacke, styled das Kratt vom Spiegel bis zu den Socken mit den vermeintlichen Insignien bevorzugter Herdenzugehörigkeit.
Das macht vor dem Fahrer natürlich nicht halt. Schiebermütze, Hosenträger, Brennholz fürs on road Flambieren höhlengereiften Edel-Käses, Schuhwerk für senkrecht Bergwände hochtrampeln und natürlich die eigene, emminent wichtige Lebensgeschichte in bedeutungsschwangeren Tribals, Inkings oder Tattoos in jeder Pore verewigt.
Mir persönlich ist das "a tad too much.." Genauso wenig wie auf Emoticons in Texten zur Verdeutlichung, ob etwas ironisch, sarkastisch oder humorvoll gemeint wäre, verlasse ich mich da lieber auf die althergebrachte Mittel wie Lebenserfahrung und (mehr oder minder) gesunden Menschenverstand, um mir ein möglicht obejktives Bild zu machen.
Schauen wir uns abschließend folgendes - natürlich fiktives - Szenario an.
Bob Spedding wird nebst seiner fein gecafften BSA vom Ace Forecourt im Jahre 1959 weg gebeamt und findet sich exakt 60 Jahre später am Bikertreff wieder. Dort stößt er auf den etwa gleichaltrigen Youtuber, Influencer und Cafe Racer Fan & Fahrer Heiko L., der so bereitwillig wie unaufgefordert die volle Ladung geballten Cafe Racer Lifestyle zum Besten gibt, wobei im weiteren Monogverlauf dann Heiko´s most favoured tattoos gezeigt, die Adresse des primären hair & beard carers mitgeteilt, auf die authentischen Beinkleider und den hippen Helm verwiesen werden.
Selbstredend stellt Heiko auch sein end-gecafftes Bike en Detail vor, wobei die Highlights "geloopter Loop", höchstselbst designter Kennzeichenhalter, diverse Holz- und Lederapplikationen sowie die genau passenden Old-School-Weißwandreifen besondere Erwähnung finden.
Bob hat sich mit englischer Höflichkeit alles angehört und angesehen und trifft nun die Entscheidung, selbst aktiv an der Konversation teilzunehmen. Er dreht er sich also zu Heiko L., der lässig auf seinem Moped hockt und fragt - WOT, NO BOIK?!
MfG
Caffbeemer
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von claus44
Moin, ich brauch keine schablone für‘s leben. Bin halt motorradfahrer... alles nur Business, wem sollte man sonst holzfällerhemden, krempeljeans oder den ganzen kommerzschrott verkaufen. Ob chopper, racer oder caffer- zielgruppen der lifestyleindustrie. Wer‘ s möchte, kanns ja mitmachen, sieht aber von außen ein bisschen nach karneval aus!
Schönen montag, claus
Ps jetzt beginnt das drittel der saison der

motorradfahrer
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von Jupp100
Es wurde ja schon so ziemlich alles wesentliche geschrieben.
Motorradfahren ist was uns verbindet.
Lebenseinstellung ist wohl eher (hoffentlich) nicht in Stein ge-
meiselt, sondern eine Entwicklung.
Obwohl ich auch Leute kenne, die man als sehr alte 15-Jährige
bezeichnen könnte.
@Caffbeemer
Einer meiner Lieblingsfilme. Wo findet man
heute noch solche Dialoge?
"Wie geht es den Zwillingen?"
"Drillingen!"
"Wie die Zeit vergeht."
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von grumbern
Naja, was heißt Business? Ich möchte schwer behaupten, mit meinem "Lifestyle" (was ein Begriff), kein besonderes Business zu befeuern. Ich kann jede halbwegs normale Jeans hochkrempeln und "stilvolle" Abnutzungsspuren bekommt sie nach einigen Jahren von selbst. Meine Lederjacken sind "2nd", oder "3rd hand" und meine Handschuhe habe ich seit über 15 Jahren. Meine Sonnenbrille ist aus den 70ern und hat mich vielleicht halb so viel gekostet, wie eine aktuelle.
Die Kohle für solche "Lifestyle-Produkte" stecke ich lieber in "Boiks", oder Werkzeug :D
Aber wie bereits gesagt: Der Cafe Racer Lifestyle sollte eigenltich für jeden halbwegs ordentlichen Menschen von vorn herein ausscheiden, denn das bedeutet: Hochgeschwindigkeitsrennen im Stadtverkehr. Sollte das cool sein?!
Cafe Racer beziehe ich deshalb nicht auf mich, sondern mein Motorrad. Fertig.
Gruß,
Andreas
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von claus44
Ich meine auch nicht alle oder jeden...

Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von caffbeemer
Unabhängig davon, ob < Höchstgeschwindigkeitsrennen im Stadtverkehr "cool" > wären oder nicht,
war es bis 1965 bzw 1967 zumindest auf Teilen der NCR / A406 - wie auch auf "motorways" 'perfectly legal' , so schnell zu fahren wie man mochte. Erst zu den genannten Jahren traten dort Speed Limits in Kraft.
Da zudem ein Hauptzweck des Cafe Racers darin bestand, so schnell wie möglich von "A nach B" zu kommen und Race-Heroes nachzueifern, darf man Speed durchaus als prägendes Attribut dem Thema Cafe Racer zuordnen.
Ob dies dann jemandem zum Kerninhalt seines persönlichen Lifestyles machen möchte oder nicht - who cares?
MfG
Caffbeemer
Re: Caferacer - Lebenseinstellung oder Trendsetter
Verfasst: 23. Sep 2019
von grumbern
Wie schon gesagt: Sollte Cafe Racer sich auf ein Lebensgefühl beziehen, wäre genau das der Inhalt. Bezieht es sich aber nur auf das Motorrad und dessen Umbaustil, bzw. dessen Zielsetzung, ist es eben auch nur das und keine persönliche Einstellung.