Fußhupe hat geschrieben: 6. Nov 2020
Hi Sven, in was wird diese Zugkraft gemessen? Nm? Wenn man sich dann durch die Übersetzungen nach vorne zum Motor rechnet (Hebelgesetze), dann scheint mir doch das Drehmoment des Motors ausschlaggebend für diese Zugkraft, nicht die Drehzahl, bei der dieser diese erreicht.
Hi Jürgen!
Was du da schreibst, trifft genau den Punkt:
wenn man sich durch die Übersetzungen nach vorne
zum Motor rechnet, dann bedeutet mehr Drehmoment vorn an der Kurbelwelle zwangsläufig mehr
Drehmoment hinten am Rad.
Völlig richtig, aber
nur wenn man beide Male von jeweils demselben (Gesamt-)Übersetzungsverhältnis
ausgeht.
Das ist aber eine Voraussetzung, die den Vorgang Beschleunigung nicht ganz treffend widerspiegelt.
Sinnvoller ist es, bei beiden Fällen von
derselben Fahrgeschwindigkeit auszugehen und sich dann zu
fragen, welche Maschine ab dieser Geschwindigkeit besser beschleunigen kann. Das ist natürlich
wieder die, die mehr Kraft am Hinterradumfang (oder, bei gleichem Raddurchmesser, mehr Drehmo-
ment am Hinterrad) liefert. Jetzt zeigt sich, daß die Maschine mit dem drehmomentschwachen, dafür
hochdrehenden Motor einen Vorteil hat: weil vorn die Kurbelwelle höher dreht, ist zwangsläufig ihr
Gesamtübersetzungsverhältnis Kurbelwelle:Hinterrad kürzer als bei der Maschine mit viel Drehmoment
"unten raus", ansonsten wären ja nicht beide gleich schnell. Dem Drehmomentnachteil wirkt also
der Vorteil der kurzen Übersetzung entgegen.
Gut, damit ist gezeigt, daß sich niedriges Drehmoment bei hohen Drehzahlen weniger dramatisch
auf das Beschleunigungsvermögen auswirkt, als es den Anschein haben könnte, aber noch lange
nicht bewiesen, daß es, wie ich geschrieben habe, nur auf die Leistung ankommt.
Um das zu sehen, ist es günstig, sich von der ganzen Motor-Primär-Getriebe-Sekundärübersetzungs-
geschichte frei zu machen und den Vorgang etwas allgemeiner zu betrachten:
Es gilt die Formel Leistung = Kraft * Geschwindigkeit, P = F*v [1]
Wenn die Geschwindigkeit nicht gerade =0 ist, kann man das umstellen zu:
Kraft = Leistung/Geschwindigkeit, F = P/v
Wenn wir das auf unseren Fall anwenden, ergibt sich:
die beschleunigende Kraft (also die, die am Hinterradumfang wirkt), ist gleich der Leistung
am Hinterrad (im Wesentlichen die Motorleistung, abzüglich der Verluste im Antrieb), geteilt
durch die Umfangsgeschwindigkeit des Rades, also die Fahrgeschwindigkeit. Letztere haben
wir fest vorgegeben, die soll jedesmal dieselbe sein. Damit ergibt sich, daß die Kraft am Rad-
umfang nur noch von der vom Motor abgegebenen Leistung abhängt, ganz egal, wie diese
Leistung zustande kommt.
Eigentlich sind wir jetzt durch, aber vielleicht sollte ich noch erwähnen, daß diese Leistung das
Produkt ist aus Drehmoment an der Kurbelwelle und der Drehzahl, bei dem es wirkt (mal kons-
tantem Umrechnungsfaktor). Natürlich liefert weniger Drehmoment im Prinzip auch weniger Be-
schleunigungskraft, aber das kann ausgeglichen werden durch entsprechend mehr Drehzahl (und
kürzere Gesamtübersetzung natürlich).
Ich hoffe, das war so weit verständlich. Und betone nochmal: dieselbe Leistung durch viel Drehmoment
bei niedrigen Drehzahlen fühlt sich i.A. "stärker" an, weil solche Motoren fast immer auch ein breites Dreh-
momentband haben und schaltfaul und durchzugsstark gefahren werden können. Um mit einer kleinen
Drehorgel ordentlich zu beschleunigen, muß man mehr tun, oft und genau zum richtigen Zeitpunkt schal-
ten, das geht halt nicht so mühelos.
Viele Grüße
Sven
[1] * bezeichnet das Skalarprodukt, man kann aber die übliche Multiplikation verwenden,
wenn Kraft und Geschwindigkeit dieselbe Richtung haben, was bei uns der Fall ist.