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Progressive Federn_Einbaurichtung und Wirkungsweise

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f104wart
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Progressive Federn_Einbaurichtung und Wirkungsweise

Beitrag von f104wart »

Ich habe gestern die Gabeln einer GL650 und die einer 900er Boldor zerlegt.

Dabei ist mir aufgefallen, dass die Federn unterschiedlich eingebaut sind/waren. Bei der GL war das eng gewickelte Teil oben und bei der Bolle war es unten.

Bei der GL ist oben noch eine kurze Feder drüber, bei der Bolle nicht. Die Vorspannung ist bei der GL wesentlich größer als bei der Bolle. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob die Bollegabel richtig zusammengebaut war.


Wie ist das überhaupt mit der Progressivität der Federn? :dontknow:


Ich hab einfach mal "laut gedacht":

...Bei den Konis (hinten) ist der eng gewickelte Teil unten. Die Ventilfedern der 650er sind auch progressiv gewickelt. Das Handbuch schreibt vor, dass der eng gew Teil zum ZylKopf gerichtet sein muss. Wirth schreibt bei seinen Gabelfedern vor, die eng gewickelte Seite nach oben einzubauen. Das wäre dann genau andersrum wie bei den Konis.


Irgendwie hängt das mit der Verringerung der ungefederten Massen zusammen, aber wie?

Der eng gewickelte Teil der Feder ist weicher (geringere Steigung), aber schwerer, weil mehr Windungen bei gleicher Länge vorhanden sind.

Baut man die Gabelfeder mit der engen Seite nach oben ein, werden die ungefederten Massen unten reduziert. Gleichzeitig ist es so, dass beim Eintauchen der Gabel die Haupbelastung von oben kommt (dynamische Radlastverteilung), die Feder also weich anspricht und mit zunehmender Eintauchtiefe straffer wird.

Bei den Ventilfedern liegt das Hauptaugenmerk auf der Verringerung der ungefederten Massen des Ventiltriebs. Der eng gewickelte Teil muss dazu zum ZylKopf zeigen. Durch die Progressivität wird einem Ventilflattern bei hohen Drehzahlen begegnet. So wird da auch ein Schuh draus.

Aber warum sind die Konis andersrum drin?

Hier sind die ungefederten Massen zwar auch unten, gleichzeitig aber kommt der "Stoß", der das Einfedern auslöst, aber auch von unten, also genau andersrum wie bei der Gabel. Deshalb ist bei den hinteren Dämpfern die eng gewickelte Seite unten, damit die Feder weich anspricht und mit zunehmender Belastung härter wird.


Warum sind Kupplungsfedern nicht progressiv gewickelt? ...Weil es hier keine "ungefederten Massen" gibt und keine schwellende Last. Die Krafteinwirkung ist von beiden Seiten her gleich.


...Frage an die Spezialisten: Hab ich richtig gedacht ? :dontknow:
Zuletzt geändert von Anonymous am 2. Apr 2014, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Auf Wunsch des Threaderstellers die Überschrift geändert!

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Revace
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von Revace »

f104wart hat geschrieben: Baut man die Gabelfeder mit der engen Seite nach oben ein, werden die ungefederten Massen unten reduziert. Gleichzeitig ist es so, dass beim Eintauchen der Gabel die Haupbelastung von oben kommt (dynamische Radlastverteilung), die Feder also weich anspricht und mit zunehmender Eintauchtiefe straffer wird.
Also von welchem Ende die Kraft wirkt ist ja irrelevant, da sich die Kraft am jeweils anderen Ende auch wieder abstuetzen muss. Ich wuerde das Rahmen/Motor/Fahrer als den schweren bzw fixen Bestandteil des Motorrad sehen und die Raeder bewegen sich relativ zum Moped, d.h. diese sollten moelgichst leicht sein. Deshalb wuerde ich auch das enger gewickelte (und damit schwerere)Ende naeher ans Motorrad, also nach oben einbauen. Ich denke aber, dass die Auswirkungen dessen im Bereich der Gabelfedern oder Federbeine praktisch kaum zu spueren ist.

Bin aber mal auf andere Meinungen gespannt :)

Blackhawk
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von Blackhawk »

Revace hat geschrieben: Deshalb wuerde ich auch das enger gewickelte (und damit schwerere)Ende naeher ans Motorrad, also nach oben einbauen. Ich denke aber, dass die Auswirkungen dessen im Bereich der Gabelfedern oder Federbeine praktisch kaum zu spueren ist.
Ich würde die schwerer Seite nach unten einbauen, wegen dem tieferen Schwerpunkt :grinsen1:
Ich gehe aber davon aus dass, wie du schon schreibst, die Unterschiede völlig und wirklich gänzlich vernachlässigt werden können. Der Prozentualenanteile der Federn am Gesamtgewicht ist ja wahnsinnig klein.

Bei den Ventilfedern halte ich das schon eher für realistisch, hier ist die Masse der Federn am Gesamtsystem schon beträchtlich.

f104wart hat geschrieben: Deshalb ist bei den hinteren Dämpfern die eng gewickelte Seite unten, damit die Feder weich anspricht und mit zunehmender Belastung härter wird.

Die Lage der Feder ist für das Ansprechverhalten nicht ausschlaggebend. Vereinfacht würde ich sagen, dass der "weiche" Teil der Feder zuerst einfedert. Die Feder weiß ja auch nicht aus welcher Richtung die Kraft kommt, sie ist zwischen 2 Lagern eingespannt und ob sich eins oder beide Bewegen hat keinen Einfluss.

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f104wart
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von f104wart »

Blackhawk hat geschrieben: ... Vereinfacht würde ich sagen, dass der "weiche" Teil der Feder zuerst einfedert. Die Feder weiß ja auch nicht aus welcher Richtung die Kraft kommt, sie ist zwischen 2 Lagern eingespannt und ob sich eins oder beide Bewegen hat keinen Einfluss.
Das scheint mir der erste vernünftige Ansatz zu sein, aber warum gibt Wirth oder Wilbers dann die Einbaulage in der Gabel vor und warum bauen die Hersteller progressiv gewickelter Federbeine hinten die Federn andersrum ein?

Betrachten wir uns erst nochmal die Unterschiede zwischen Gabel und Hinterradfederung:

- Die statische Radlaständerung des Vorderrades ist bei verschiedenen Beladungszuständen im Vergleich zum Hinterrad relativ gering.
- Dafür ist die dynamische Radlaständerung des Vorderrades extrem hoch (Dynamische Radlaständerung
beim Bremsen)

Die Vorderradlast ändert sich im Vergleich zur Hinterradlast bei unterschiedlicher Beladung relativ wenig.

Beim Hinterrad hingegen unterliegt die statische Last größeren Schwankungen als die dynamische. Daher ist es auch erforderlich, dass - im Gegensatz zur Gabel - die Vorspannung der Federbeine den verschiedenen Beladungszuständen angepasst werden muss.

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nopanic
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von nopanic »

Im Allgemeinen beschreibt progressiv so viel wie „immer weiter steigend“ oder „exponentiell zunehmend“. Ein progressiver Verlauf ist besonders durch seine Nichtlinearität gekennzeichnet, das heißt die Zunahme im folgenden Intervall gleicher Größe ist größer.
Die Feder wird also mit zunehmender Beanspruchung härter, dabei ist die Lage der Wicklung (oben oder unten) egal.
Ungefederte Massen können bei der Einbaulage eine Rolle spielen, für den "Alltagsfahrer" aber sicher vernachlässigbar.
Im Zweifel kann man das ja selber ausprobieren indem man eine identische Teststrecke mal mit enger Windung oben und mal mit enger Windung unten abfährt. Die Bedingungen sollten hierbei jedoch möglichst identisch sein (Geschwindigkeit, Fahrer, Temperaturen, Bremsverhalten etc) um einen Vergleich herleiten zu können. :wink:
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von nopanic »

Btw. Die Einbaulage kann auch mit der Ölmenge zusammenhängen. Wenn die engere Windung nach unten eingebaut wird, wird mehr Öl verdrängt, der Ölstand im Holm steigt an.
Manche Hersteller geben den Ölstand mit Feder an, andere wieder ohne Feder. Vielleicht liegt es daran?
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f104wart
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von f104wart »

nopanic hat geschrieben:Btw. Die Einbaulage kann auch mit der Ölmenge zusammenhängen. Wenn die engere Windung nach unten eingebaut wird, wird mehr Öl verdrängt, der Ölstand im Holm steigt an.
Manche Hersteller geben den Ölstand mit Feder an, andere wieder ohne Feder. Vielleicht liegt es daran?
Das in Verbindung mit der Verringerung der ungefederten Masse könnte ein Grund sein.

Beim Ventiltrieb isses ja klar.

...aber damit wäre dann noch nicht die Frage geklärt, warum bei den Koni- oder Hagon-Federbeinen die Federn andersrum drin sind :dontknow:
Zuletzt geändert von f104wart am 30. Mär 2014, insgesamt 1-mal geändert.

Blackhawk
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von Blackhawk »

f104wart hat geschrieben: Das scheint mir der erste vernünftige Ansatz zu sein, aber warum gibt Wirth oder Wilbers dann die Einbaulage in der Gabel vor und warum bauen die Hersteller progressiv gewickelter Federbeine hinten die Federn andersrum ein?
Ich denke dann auch mal laut...
Im "weichen" Teil der Feder ist mehr Bewegung. Da die Feder, im Fall der Gabel, im Öl sitzt und ich möglichst wenig Bewegung im Öl haben möchte, da es sonst anfängt zu schäumen, setze ich die Feder so ein, dass die weichere Seite oben ist.

Beim Federbein könnte es so sein dass ich mit der dichteren Wicklung unten die Kolbenstange vor äußeren Einflüssen schützen will.
Vielleicht ist es technisch gesehen halt auch völlig egal beim Federbein und es sieht halt einfach besser aus

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f104wart
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von f104wart »

Ich denke, bei der Gabel entwickeln wir langsam eine plausible Erklärung .daumen-h1:


Ich formuliere es nochmal etwas anders:

Wenn der eng gewickelte Teil unten ist, wird mehr Öl verdrängt, der Ölstand steigt an und das Luftpolster wird kleiner. Bei gleichbleibendem Ölstand könnte also weniger Öl eingefüllt werden. Weniger Öl bedeutet eine schnellere Erwärmung bzw. geringere Wärmeableitung.

Ausserdem wir das Öl hauptsächlich oder auch ausschließlich unten am Dämpferkolben benötigt. Würde es dort von den zusätzlichen Windungen verdrängt, würde das möglicherweise die Dämpfung beeinträchtigen.

Ausserdem ist die Bewegung "im weichen Bereich" der Feder größer. Auch das führt zu einer schnelleren Erwärmung des Öls und Schaumbildung.

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f104wart
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Re: Progressive Federn _ Diskussionsfaden

Beitrag von f104wart »

Blackhawk hat geschrieben: ...Beim Federbein könnte es so sein dass ich mit der dichteren Wicklung unten die Kolbenstange vor äußeren Einflüssen schützen will.
Vielleicht ist es technisch gesehen halt auch völlig egal beim Federbein und es sieht halt einfach besser aus
Dazu fällt mir noch was anderes ein: Was ist mit der Führung der Feder? ...Wird eine Feder zusammen gedrückt, knickt sie mehr oder weniger seitlich weg. Dieser Effekt ist umso größer, je weiter die Windungen auseinander sind.

Packt man den weiter gewickelten Teil in den Bereich des Dämpfergehäuses und den enger gewickelten Teil in den Bereich der Kolbenstange, erzielt man eine bessere Abstützung der Feder bei starkem Einfedern.

Umgrkehrt könnte es passieren, dass die Feder einknickt und sich am Übergang von der Kolbenstange zum Dämpfergehäuse verklemmt.


...Von der Federcharakteristik her ist die Einrichtung, wie es Revace schon ganz zu Anfang feststellte, wirklich irrelevant.
In der mir zur Verfügung stehenden Fachliteratur habe ich dazu zwar keine Aussage gefunden, dafür aber einen Betrag in einem anderen Forum, den man als durchaus kompetent einstufen kann:

"Fahrwerksfeder falsch rum eingebaut?

...Ich arbeite bei nem großen Federhersteller im Prototypenbau.... Normal ist das def. nicht! in deinem Fall ist das aber nicht soooo tragisch, da die Federenden bei deiner Hinterachse gleich groß sind und von daher so oder so herum eingebaut und eigentlich auch gefahren werden können. Ob die "engeren" Windungen nun oben oder unten sind ist eigentlich auch nicht relevant... das hat nur was mit der Einfederungscharakteristik zu tun... (in deinem Fall ist es progressiv) aber das funktioniert unabhängig von der Einbaurichtung..."

Der Vollständigkeit halber hier noch der Link zum zitierten Beitrag: http://www.motor-talk.de/forum/fahrwerk ... 48633.html

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