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Ich möchte Euch gern eine Geschichte erzählen

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nopanic
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Ich möchte Euch gern eine Geschichte erzählen

Beitrag von nopanic »

Ich war ja mal dabei, als Deutschland Weltmeister wurde. Teil des Teams, ich selber habe mich auch als Weltmeister gefühlt, war ja mittendrin und dabei. Ich habe das seinerzeit mal aufgeschrieben und es gab auch ein gedrucktes Magazin dazu und eine Version in meinem Heimatforum. Vielleicht gefällt es hier ja auch dem Einen oder Anderen, es ist ne Menge Stoff, ich bin halt ne Labertasche, aber lest es doch einfach mal durch.

Es beginnt am Morgen nach dem Rennwochenende in Harsewinkel, letzter Lauf zur Inter DM Supermoto. Am nächsten Wochenende fand das Supermoto of Nations in Bulgarien statt und ich hatte mich als Fahrer des Teamtrucks gemeldet. Im Jahr vorher hatte ich die Tour schon einmal gemacht und freute mich, diesmal wieder dabei sein zu können.

Die Plevenchronik

Fahrerlager Harsewinkel, Montag morgen: Ein Bild der Idylle. Einzelne Fahrzeuge stehen still herum, dazwischen wuseln mehr oder weniger lebendige Menschen umher und irgendwo riecht es nach Kaffee. Ich folge meiner Nase und finde den Quell der Erweckung. Wenig später muss ich mich verabschieden, mit dem T4 von Vierauge und eben diesem auf dem Beifahrersitz geht es nach Iserlohn. Der Kleine ist schweigsam, die Meisterfeier hat ihn geschafft und ich bin dankbar für die Ruhe, bin ja selber noch nicht ganz Herr meiner Sinne. Iserlohn liegt zum Glück beinahe um die Ecke und so erreichen wir das erste Etappenziel meiner Odyssee zeitnah. Vierauge versucht die Türe zu öffnen, das Sicherheitsschloss verweigert aber, wie sich später herausstellt aufgrund eines widerrechtlich hinein gekrabbelten und kläglich verendeten Insektes, den Dienst und so hocken wir vor der Tür bis der Teamchef und P. Eintreffen. Das Vierauge muss einbrechen, so ein filigran gestalteter Körper hat auch seine Vorteile. Nachdem wir das Domizil der Familie D. geentert haben,
gibt es Kaffee, Kaffee, Kaffee und dann machen wir uns daran, Sachen aus und wieder einzuladen, weil wir ja am nächsten Morgen aufbrechen wollen in Richtung Bulgarien. Das heißt, ich will aufbrechen, die anderen kommen dann via Luftpost nach. Als ich so an die Reise denke, frage ich nochmal nach meinem geplanten Beifahrer, der ja seit Tagen nicht erreichbar ist. Teamchef telefoniert und kommt leicht verwirrt zurück. „Nicht erreichbar!“
Naja, wird schon, wir laden munter weiter und irgendwann beginne ich mal damit, einen geforderten Bericht zum Saisonabschluss zu verfassen. Dabei stellt sich das tolle Thinkpad als recht empfindlich heraus, oder einfach nur als zickig. Ich bin inzwischen einigermaßen angefressen, das Ding tut's nicht richtig und die Sache mit dem unerreichbaren Beifahrer nervt zusätzlich. Das wird ein langer Abend, befürchte ich......................
Während ich mit dem Klapptopp kämpfe, telefoniert Tommy in der gesamten deutschen Motorsportszene herum, allerdings recht erfolglos. Bei einem zwischenzeitlichen Brainstorming hat P. Die Idee, im Forum einen Aufruf zu starten. Ich setze mich an den Rechner und schicke einen verzweifelten Hilferuf ins Netz. Es melden sich tatsächlich ein paar Verrückte, die aber leider nicht helfen können, obwohl sie es gerne tun würden. Die Sache ist doch recht kurzfristig, wer kann schon am Montagabend zusagen, dass er am Dienstag Morgen für 1,5 Wochen verreisen kann.
Dann kommt doch noch Bewegung in die Sache, Daniela hat einen Kandidaten und auch Tommy hat etwas erreicht. Mit dem beruhigenden Gefühl, zwei halbe Beifahrer zu haben, widme ich mich meiner Arbeit und sinke dann, nach einem Feierabendbierchen in den Schlaf. Der Dienstag Morgen fängt gut an, Danielas Kandidat hat abgesagt, vom anderen halben Beifahrer noch keine Nachricht. Mit langen Gesichtern trinken wir unseren Kaffee, Tommy sieht Scheisse aus, aber das liegt wohl an seiner Grippe. Im Zweifel werde ich alleine fahren und Tommy setzt sich auf den Beifahrersitz um das zu tun, was er am Besten kann: Reden. Damit kann er mich dann wach halten, wenn's gar nicht mehr geht, machen wir halt Pause und ich schlafe ein wenig. Mit seinem Terminatorbein kann Tommy eben nicht die Kupplung des LKW zuverlässig treten, deshalb ist es abwegig, ihn als Fahrer zu nehmen. Wir lassen uns aber nicht entmutigen, Vierauges T4 steht mit Anhänger fertig beladen zur Abfahrt bereit und wir warten auf den erlösenden Anruf.
Der Anruf kommt, Jean Pierre erklärt sich bereit zum Abenteuer SmoN. Der Mann ist belgischer Soldat im Dauerurlaub und wartet auf die Rente. Er hatte schon ein eigenes IDM Team und fährt immer noch LKW für die IDM, ist bei Hitachi beschäftigt und betreibt eine freie Werkstatt für Autos und Motorräder. Nachdem er alle Termine für die nächsten 1,5 Wochen verschoben hat, ist er bereit. P. Holt ihn am Mittag in Soest ab und endlich können wir starten. Mit dem T4 geht es nach Bensheim zu Suszuki, wo wir den LKW übernehmen sollen und Lars mit den Gerätschaften von Nico auf uns wartet. Wir kommen in Bensheim an, kein LKW, kein Lars!
Auf Nachfrage bei einer bezaubernden Fee in dem Gebäude bekommen wir die Antwort, dass Lars mit dem 7,5 Tonner mal eben in der Werkstatt ist, weil die Laderampe nicht auf ging.
Lars hat dann auch gleich mal Öl nachfüllen und einen schnellen Rundumblick auf den Truck werfen lassen. Wir machten uns ans Beladen, wobei sich Jean Pierre als Staumeister entpuppte. Zügig schaufelten wir alle möglichen Dinge in den Laderaum und er verstaute das Ganze so, dass nichts rauf- oder runter fallen konnte.
Die Reise ging weiter, wir programmierten den Autohof Irschbergen ins Navi und knallten mit wahnsinniger Geschwindigkeit über die Autobahn Richtung München, um Julians Rennzutaten aufzusammeln. Ab München würde uns die Reise dann via Österreich, Ungarn und Rumänien nach Bulgarien bringen, 2400km durch halb Europa. Da es ab Mitte Ungarn keine Autobahnen mehr gibt, planten wir mal eine etwas längere Fahrzeit ein, das Navi orakelte irgendwas von über 30 Stunden, die elektrische Dame sagte: „Der Transit dieser Strasse dauert sehr lange!“
Wir erreichten den Tankhof bei München gegen Mitternacht, Julian war schon da und wir machten uns gleich ans Umladen. Das war mein erster persönlicher Kontakt mit Julian, und ich quatschte erstmal ein bisschen mit ihm. Der Kerl war mir auf Anhieb sympathisch und ich freute mich darauf,
ihn im Einsatz zu erleben. Die Laderei war schnell erledigt, wir hatten ja schon Routine und J.P. machte seinen Job als Lademeister wieder mal perfekt. Nachdem alles verstaut war, enterten wir die Tankstelle und kippten uns einen grossen Kaffee zum Preis einer puertoricanischen Plantage in die Hälse. Dann schlugen wir nochmal zu, kauften eine Cola Raffinerie, literweise Flügelverleiher für J.P. und die Jahresproduktion der Firma, für die der Berufsjugendliche wirbt, der beim ZDF den Wettenkasper macht. So gewappnet wollten wir den Endspurt antreten, schlappe 1900 km durch die Dunkelheit lagen vor uns.
Ich übernahm das Steuer des Trucks und J.P. Machte es sich auf dem Beifahrerstuhl so bequem wie möglich, also gar nicht. Das Asphaltband glitt unter uns weg, wir näherten uns der Grenze zu Österreich und reisten dann unerkannt ein. Im Fahrzeug befand sich eine GoBox, das ist das simple Pendant zu den wahnsinnigen Apparaten, die man in Deutschland braucht, um den Wegezoll zu entrichten. Ich schnappte mir das Teil, um es an der ersten Tankstelle in Österreich aufladen zu lassen und den Inhalt unserer Reisekasse erstmals derbe zu schänden. Aber: „Surprise“, das Ding hatte noch reichlich Saft und ich musste nur ein bisschen was nachladen, um Hin- und Rückfahrt abzudecken. Ich wollte auch noch Euro in Schillinge tauschen, erntete aber nur böse Blicke, also rannte ich schnell aus dem Etablissement und rettete mich in den LKW. Starten, Gas geben und weg vom Ort des Geschehens, auf die Autobahn Richtung Ungarn, vorbei am hell erleuchteten Wien, dem man sich auf der Autobahn von oben nähert. Ein toller Anblick, ich habe extra nicht angehalten, um ein Bild davon zu schießen, wer es sehen will, soll selbst hinfahren.
Die Fahrt verlief weitgehend ruhig, die meisten Idioten, die sich sonst auf Straßen herumtreiben, waren wohl in irgendeinem Fußballstadion oder nahmen an den Koalitionsverhandlungen in Berlin teil. Auch an der Grenze nach Ungarn gab es keine besonderen Vorkommnisse, ich kaufte die Durchfahrtberechtigung und tauschte ein paar Euro zum Tanken in Forinth um, und schon ging es weiter. Jetzt begann die eigentliche Zeitreise, am Anfang ist in Ungarn noch alles so, wie man es als Mitteleuropäer gewohnt ist, Straßen, Beleuchtung, Bebauung. Je tiefer man jedoch in den ehemaligen Ostblock eindringt, umso schlechter werden die Straßen, die Autobahn hört irgendwann auf und es geht auf einer mittelprächtigen Straße weiter, die hierzulande nicht mal dem Status einer Bundesstraße entspricht. Die Beleuchtung nimmt ab, die Häuser werden kleiner, verfallener und schäbiger. Das Einzige, was unserem Standard entspricht, sind die Mengen an LKW, nur rollen sie dort auf einer miserablen Straße, aber in derselben Menge, wie sie es hier auf gut ausgebauten Autobahnen tun. Wir waren unterwegs auf der Transitroute von Deutschland nach Bulgarien und Griechenland, in einer endlosen Schlange aus LKW, die sich mit irrsinniger Geschwindigkeit durch Europa windet. Waren aller Art werden transportiert, unter anderem sah ich einen LKW, voll gepackt mit offenen, etwa 30x30x30cm kleinen Drahtkäfigen, in denen Truthähne saßen, den Kopf im Wind und unwissend, wohin die Reise geht.
An der Grenze zu Rumänien saß J.P. Wieder am Steuer, der Zöllner fragte, wohin wir wollen und was wir geladen haben. „Wir fahren nach Pleven in Bulgarien zur Supermoto Weltmeisterschaft und haben das Material für das deutsche Team geladen!“ „Habt Ihr Kappen dabei?“ kam es prompt und dann wollte er noch in den Laderaum sehen. Das Übliche also. 3 Minuten und zwei BMW Caps später rollten wir weiter, tauschten Euro in Lew oder Lei, lösten die Vignette und tauchten dann endgültig in die 50er Jahre ein.
An der ersten Tankstelle füllten wir den Tank bis zum Rand und wehrten uns vergeblich gegen einen aufstrebenden Jungunternehmer, der uns multilingual umschwärmte und eine Reinigung der Scheiben unseres Fahrzeugs anbot. Ich lehnte dies ab, woraufhin er einige Kostproben seiner Fähigkeiten abgab, allerdings nur halbherzig, wodurch die Sicht leicht erschwert wurde. Seine Kumpels umschlichen in der Zeit den LKW und lauerten auf was auch immer. Schließlich tauchte auch noch die hochschwangere Mutter auf und bat um einen Euro, aber wir ignorierten die Truppe einfach. Neben dem Reinigungskommando fanden sich auch noch einfache Bettler, diverse Hütchenspieler und Anbieter diverser hochwertiger Designeruhren- Hemden-Hosen-Jacken und Krokodillederschuhe auf dem Areal. Nach vollzogenem Tankvorgang ging ich zur Kasse, J.P. sicherte den Truck und danach ging es los. Es war inzwischen wieder hell, die Nacht lag hinter uns und viele Kilometer vor uns. Bisher lagen wir im Plan, ich hatte gehofft, Rumänien tagsüber durchqueren zu können und Pleven am späten Nachmittag zu erreichen. Die Straßen hatte ich in schlechter Erinnerung, bei Tageslicht sollte es leichter und schneller gehen. Der Nachteil war, dass tagsüber neben den LKW jede Menge anderer Leute die Straßen benutzen, unter anderem auch Radfahrer, Pferdewagen (die in wirklich großer Zahl genutzt werden) und Fußgänger, und dann gab es noch Bahnübergänge, die etwa 12 Minuten gesperrt werden, weil eine altersschwache E-Lok die Straße kreuzt. Während wir auf die Öffnung der Schranken warteten, wurde ich von einigen Bauarbeitern um Zigaretten angebettelt, obwohl diese selber welche hatten. „Deutschland alles Kapitalist!“ hörte ich nun schon zum zweiten Male, auch der Jungunternehmer mit seinem Car-Care-Service an der Tankstelle hatte dieses Klischee bemüht. Ich habe kurz überlegt, ob ich den Herren meine private finanzielle Situation näher erläutern soll, nahm aber davon Abstand. Erstens habe ich mit Sicherheit mehr als sie und zweitens ist mein Rumänisch miserabel.
Wir kämpften uns weiter durch die Karpaten und Transsilvanien, eine wahnsinnig schöne Landschaft und die gefährlichste Straße, die ich kenne. Wir kamen nur langsam vorwärts, ein Schnitt von etwa 40 km/h wurde vom Navi angezeigt, unsere Ankunftszeit verschob sich immer weiter nach hinten. Es dämmerte bereits und wir waren immer noch in Rumänien unterwegs. J.P. zeigte leichte Schwächen in der Nachtsicht und ich übernahm wieder das Steuer.
Sehr spät am Abend erreichten wir die Grenze und wurden von einer sehr resoluten Zöllnerin angehalten. Die Dame sprach weder deutsch noch englisch, gab mir aber zu verstehen, daß wir für den Transit über die Brücke einen geringen Obulus zu entrichten hätten. Ich erinnerte mich an das Jahr zuvor und die Tax für die Fähre und gab mich geschlagen. Ich entrichtete 18 Euro und bekam eine prima Quittung ausgestellt. Wir ließen uns vom Navi leiten und landeten prompt verkehrt herum in der Ausfahrt von der Zollstation. Bevor wir wenden konnten, schoß ein Zöllner auf uns zu und machte gleich Alarm. Wir sollten Papiere und Ausweise vorlegen, er komme gleich wieder. Ich war inzwischen ziemlich müde und genervt, wollte eigentlich nur schnell weiter, um möglichst bald am Ziel an zu kommen. Der Kerl kam wieder, redete auf deutsch zu uns und meinte, wir könnten die Brückennutzungsgebühr in Höhe von 150 € bei ihm direkt entrichten, er würde uns dann den Weg durch die LKW Schlange bahnen. Den Einwand, dass wir bereits bezahlt hätten, tat er ab mit der Bemerkung, das sei nur der Transit zur Brücke gewesen. Ich hatte keine Lust auf Streit, war zu müde und kenne auch die Bestimmungen des rumänischen Grenzwesens nicht wirklich auswendig, also drückte ich ihm 150 € in die Hand und er ging mit dem Hinweis, die Quittung gleich zu bringen. Auf seinem Weg kontrollierte er noch die Frachtpapiere einiger LKW, dann war er aus meinem Blickfeld verschwunden. J.P. knurrte vor sich hin: „Den siehst Du nicht wieder!“, ich war angefressen genug um ihm eine entsprechende Antwort zu geben und so füllte sich das Führerhaus mit eisigem Schweigen.
Meine Nachfrage bei den anderen Zöllnern nach dem Kollegen wurde mit einem Schulterzucken, verborgenem Grinsen und dem Hinweis auf die Polizei abgetan.
Wir setzten die Reise fort, kurz vor der Brücke war die letzte Station, der Kollege in Uniform forderte 12 Euro Benutzungsgebühr. Ich knallte ihm die Quittung auf die Theke und er wurde ungemütlich. In astreinem Rumänisch bellte er mich an, stand von seinem bequemen Sessel auf, strich seine Paradeuniform glatt und wuchs um satte 20 Zentimeter. Seine Kollegen kamen dann auch gleich mal ums Eck und gesellten sich unauffällig dazu. Ich warf ihm die 12 Euro vor die Füße und stieg in den Truck, um endlich aus diesem vermaledeiten Land zu entkommen. Niemand stellte sich uns in den Weg, wir passierten die Brücke, die ich soeben gekauft hatte und erreichten Bulgarien. Dort ging es problemlos durch den Zoll, wir kauften eine Vignette, tankten den Laster und bezahlten mit Euro.
An der nächsten Tankstelle hielten wir noch einmal an, uns war klar geworden, daß wir unser Ziel zu unchristlicher Zeit erreichen würden und garantiert nichts mehr zu trinken bekämen. Mit einem SixPack bewaffnet brachten wir die letzten paar hundert Kilometer hinter uns, zwischenzeitlich kämpfte ich gegen den Sekundenschlaf, hatte gar Halluzinationen. Neben mir saß nicht mehr J.P. sondern Hellnut und ich beschwerte mich bei ihm über meinen Beifahrer, der alles besser wusste, aber auch nix verhindert hatte.
Irgendwann, ich weiß wirklich nicht mehr wann, erreichten wir den Militärflugplatz bei Pleven, auf dem die grandiose Piste angelegt ist und hatten Glück, daß das Einfahrtstor noch weit offen stand. Ich parkte den LKW im Fahrerlager, riss mir ein Bier auf und bimmelte Tommy aus dem Bett.
Als der Teamchef dann später eintraf, hatte ich zwei Bierchen intus und war komplett neben der Spur. Wir fuhren ins Hotel, bekamen den Zimmerschlüssel und fielen einfach nur noch in unsere Betten, unfähig, irgendetwas zu denken oder zu tun. Ich war zu diesem Zeitpunkt seit 44 Stunden wach und hatte in der Zeit 28 Stunden lang den LKW gelenkt, die letzten 20 Stunden am Stück.....................

Um halb zwei wurde ich wach und verspürte Hunger, Weingummi sättigt eben nicht nachhaltig, also schleppte ich meinen müden Körper unter die Dusche und machte mich schön. OK, ich machte mich sauber und hüllte mich in frische Textilien. J.P. war nicht im Zimmer, ich erinnerte mich daran, dass er etwas früher schon aufgewacht war, also beschloss ich, mal im Hotel nach zu sehen, ob ich ihn finden könne. Vielleicht hatte er schon Erfahrungen mit dem Restaurant gemacht und hätte einen Tipp für mich, wie man an etwas essbares kommt. Immer noch ziemlich müde schleppte ich mich in die Lobby, sah dort niemanden und schaute in das Restaurant. Auch dort herrschte eine ähnliche Leere wie in meinem Magen und so stapfte ich in die Bar, wo ich einen Kaffee ergatterte. Die Frage, ob groß oder klein beantwortete ich mit einem überzeugten „Groß“, was zur Folge hatte, dass ich einen Fingerhut bekam, gefüllt mit einer teerartigen Masse. Mit viel Milch und Zucker brachte ich das Gebräu in einen Zustand, der zum Verzehr geeignet schien und verzog mich damit auf die sonnenüberflutete Terrasse. Die Wärme machte sich in mir breit und linderte die Schmerzen in meinem von der langen Reise geschändeten Körper. Der sogenannte Kaffee hatte auch gute Auswirkungen auf mein Befinden und ich ging zurück in mein Zimmer, um mal die ganzen Quittungen zu sortieren, die ich während der Fahrt gesammelt hatte. Für die gekaufte Brücke hatte ich leider keinen Nachweis, ich muss das dann mal mit dem rumänischen Verkehrsministerium klären.
Ich war gerade mit der Buchhaltung fertig, als J.P kam und wir hockten uns wieder auf die Terrasse um ein Bierchen zu schlürfen, während wir auf den Rest des Teams warteten. Die Nahrungsaufnahme hatte ich bis auf Weiteres verschoben und mich der Askese hingegeben. Bier macht ja auch satt. Als die Sonne langsam tiefer sank, kühlte es auch recht schnell ab, wir hüllten uns erst in wärmere Gewänder und traten dann den Rückzug in die Hotelbar an. Leicht verwirrt nahmen wir zur Kenntnis, dass wir dort kein Bier mehr bekommen könnten, aber die junge Dame erklärte sich bereit, im Restaurant um Nachschub anzufragen. Bierknappheit war nun ein Szenario, dass nur schwer zu akzeptieren war, ich war einigermaßen erstaunt. Im Zweifel würde ich mir im örtlichen Supermarkt einen Vorrat besorgen müssen, nach der harten Arbeit draußen an der Strecke haben sich fleißige Helfer, Mechaniker und Teamchefs doch eine kleine Erfrischung verdient. Es kam aber nicht zum Schlimmsten, das Restaurant war zumindest mit Bier gut bestückt, wie wir im Laufe der Woche noch herausfinden sollten.
Als wir uns so in der Bar herum flegelten, kam auch der Rest des Teams endlich ins Hotel. Tommy hatte die drei Fahrer sowie deren Mechaniker im Schlepptau und eine große Begrüßungsszene fand statt. Nico hatte Sascha dabei, Jan seinen Wesi und für Julian hatte man Uetze verpflichtet, der normalerweise bei WüPa sein Unwesen treibt und dort neben den Motorrädern vom „Sportfahrer und der Sportfahrerin“ (O-Ton Uetze!) auch noch irgendwelche Pferde versorgt, Waschstraßen aufbaut und sonst noch allerlei Arbeiten erledigt. Nachdem die Horde ihre Gerätschaften auf den Zimmern versorgt hatte, begaben wir uns in das Restaurant um fürstlich zu dinieren und noch ein paar Bierchen zu schnappen. Die Racer hatten für den Abend Ausgang bekommen und verabschiedeten sich gleich nach der Mahlzeit mit Wesi und Sascha in die Stadt, J.P. begleitete die Truppe und ich blieb mit Tommy und Uetze zurück, um diverse Biersorten zu testen, das Angebot war vielfältig, aber von keiner der angebotenen Marken war genug vorhanden, um ihr treu bleiben zu können. Wir tranken und redeten also durcheinander und amüsierten uns prächtig. Die Vernunft trieb uns aber irgendwann ins Bett, uns war klar, dass die Woche lang und hart werden würde.
Für den Freitag war harte Arbeit angesagt, die Residenz im Fahrerlager musste aufgebaut werden, die Bikes sollten zur Abnahme, eine Streckenbesichtigung stand an und nicht zuletzt galt es, durch selbstbewusstes Auftreten die Konkurrenz zu verwirren. Wir trafen uns nach und nach im Restaurant zum Frühstück. Frühstück ist so ein Thema, das sich durch diese Chronik ebenso ziehen wird wie das Abendessen. Das liegt aber nicht an unserem unmäßigen Appetit, sondern an dem etwas - sagen wir ungewöhnlichen - Verhältnis des Restaurant Personals zum Thema Dienstleistung, Gastfreundschaft oder einfach Arbeitsmoral. Ein Frühstücksbuffet war aufgebaut, es gab Toast, der bereits früh am Morgen getoastet worden sein musste und nun vor sich hin litt, verschiedene Marmeladen, Wurst, Käse und entweder frisches Obst oder Kuchen vom Vortag. Zusätzlich gab es Rührei und, wohl als Bacon Ersatz, gebratene Brühwurststücke, beides in einer dieser Schalen, die zum Warmhalten von Speisen dienen, wenn eine Wärmequelle darunter steht. Wenn........
Ähnlich verhielt es sich mit dem Kaffee. Dieser befand sich in einer beheizbaren Kanne, leider war der Stecker nicht eingesteckt, am Freitag fehlte gar das komplette Kabel. Der Kaffee war dementsprechend: für schnelle Frühstücker geeignet, weil man ihn einfach so runterkippen konnte. Ich nahm trotzdem zwei Tassen von der Brühe um mir die Zeit zu vertreiben, bis auch die anderen bereit waren aufzubrechen. Wir hatten ja in unserem reichhaltigen Reisegepäck eine Kaffeemaschine, Kaffeepulver, Filtertüten, Zucker und Kondensmilch. Der Gedanke daran ließ mich durchhalten und ich knabberte ein bisschen an einer kalten, in der Konsistenz an Schaumstoff erinnernden Toastscheibe herum, auf die ich etwas gelegt hatte, das wie Schinken aussah.
Im Fahrerlager angekommen, parkten wir schnell den Truck ein paar Zentimeter um, schließlich gelten strenge Regeln und die Flucht der Vorzelte muss eingehalten werden. Dann räumten wir alles aus und begannen damit, das riesige Vorzelt, das zum LKW gehört, aufzubauen. Keiner von uns hatte so ein Zelt schon einmal aufgebaut, aber J.P. übernahm das Kommando und so schafften wir es, das Puzzle aus Stangen so zusammen zu setzen, das man die Plane anschließend passgenau darüber ziehen konnte. Dann bauten wir noch zwei Pavillons rechts davon auf und zwei weitere links. Die Pavillions auf der rechten Seite schlossen wir mit Seitenwänden, so dass dort eine Zone entstand, in die man sich zurück ziehen und den Blicken der zu erwartenden Zuschauermassen ausweichen konnte, die anderen Pavillions blieben für Blicke offen, dort sollten die Reserve Bikes parken. Endlich konnte ich mich um den Kaffee kümmern, die anderen legten noch den Plastikboden im Vorzelt aus und brachten an der Stirnseite die schicken Banner an, auf denen groß „Team Germany“ stand, damit wir auch leicht zu erkennen waren. Der Platz, den man uns zugewiesen hatte, war übrigens sehr prominent, direkt am Eingang zum Fahrerlager. Wer hereinkam, kam an Germany nicht vorbei! Hatte Foxy, der Paddockchef von Youthstream etwa seherische Fähigkeiten?
Der Kaffee war durch und jeder freute sich darüber, wir gönnten uns eine kurze Pause, bevor es weiterging mit dem Aufbau. Die Bikes mussten ja auch noch hergerichtet werden, das Dekor musste geklebt werden, Ölwechsel standen noch an und Reifen mussten aufgezogen werden. Während alle irgendwie rege umher liefen und irgendwas irgendwohin stellten, trugen oder schoben, kümmerte ich mich um die Verpflegung, schließlich war ich ja als Hospitality Manager gebucht. Eine kräftige Hühnersuppe schien mir passend für diesen Tag, die Männer brauchten Kraft und niemand musste mehr sportlich tätig werden, es durfte also ruhig etwas deftiger werden. Für die beiden Renntage hatte ich Pasta geplant, heute durften wir noch einmal sündigen. Ich öffnete also die 5 Dosen Hühnernudeltopf, die in der großen Verpflegungskiste über 2400km hierher gereist waren, schüttete sie in den großen Topf und erhitze das Festmahl auf unserem Zweiplattenherd.
Nachdem alle gegessen hatten, die Motorräder vorbereitet und unsere Residenz fertig gestellt war, fuhren unsere „Sportfahrer“ zur technischen Abnahme. Tommy hatte bereits den ganzen Papierkram und die erste Order beim Dunlop Service erledigt. Zur Abnahme ging ich mit, die Kamera im Anschlag. Die Geräuschkontrolle verlief zufriedenstellend und auch sonst hatten die technischen Kommissare keinerlei Einwände gegen den Einsatz der Arbeitsgeräte. Einzige Überraschung war das Gewicht von Nico's Berg. Das Ding bringt doch tatsächlich stramme 125 kg auf die Waage, vernünftig betankt wuchtet der kleine Grieche also 130 kg um den Kurs.
Nach der Abnahme drehte ich mit den drei jungen Helden noch eine Runde um den Track und machte weitere Bilder. Julian ging mehrmals zu Boden, um die Bodenwellen in den schnellen Kurven hautnah in Augenschein zu nehmen und freute sich darüber, wie „broat“ die Strecke ist.
Nach dem Spaziergang packten wir alles wieder ein und fuhren zurück ins Hotel. An einer Tankstelle deckten wir uns mit Zigaretten, Benzin und Getränken ein (zu Preisen, die hiesige Supermärkte nicht unterbieten können). Glücklich im Hotel angekommen, (glücklich, weil Jan das Steuer übernommen und auch eigene „Musik“ dabei hatte) verabredeten wir uns dann für das Abendessen im Restaurant. Eine Fahrt in die Stadt, um dort zu essen, hatten wir nach kurzer Beratung ausgeschlossen, im Hotel zu essen, war einfacher und bequemer. Julian hatte seinen Zimmerschlüssel im Fahrerlager vergessen und ich verhandelte mit der Portieuse um die Herausgabe des Reserveschlüssels. Dies gestaltete sich schwierig, weil sie kein Deutsch, ich kein Bulgarisch und wir beide nicht wirklich Englisch sprachen. Mit einer Mischung aus Englisch und Karate machte ich aber klar, worum es ging, knallte ihr meinen besten Augenaufschlag hin und so bekam Julian dann den Schlüssel.
Im Restaurant kämpften wir dann auch wieder mit gewissen Sprachbarrieren, aber der Oberkellner, welcher eine gewisse Ähnlichkeit in Mimik und Gestik zu Freddie Frinton aufwies, sprach etwas französisch und so konnte Tommy mit ihm kommunizieren. Damit hatte der Bursche sicher nicht gerechnet, sonst hätte er diese Fähigkeit bestimmt verheimlicht.
Die drei Musketiere gingen früh zu Bett, wir Teamchefs, Mechaniker, Lademeister und Hospitalitymanager tranken uns wieder durch das reichhaltige Angebot an Biersorten und beredeten die Taktik für das Wochenende und tauschten Schwänke aus unserer Jugend aus.

Samstag. Der erste Tag, an dem es wirklich Ernst werden sollte. Treffen wie gehabt im Restaurant, ich war so ziemlich der Erste und genoss wie am Vortag lauwarmen Kaffee, zähen Toast und geeistes Rührei. Heute gab es außerdem Gurken - und Tomatenscheiben, ich gönnte mir eine Überdosis Vitamine. Vesi schlug vor, abends ein Paar Reifenwärmer mitzunehmen, um damit am nächsten Morgen die Kaffeevereisungsmaschine zu pimpen. Die Idee wurde lachend angenommen und weitere Diskussionen um das Frühstück und die daraus resultierenden Möglichkeiten folgten. Die Truppe war munter und heiter, gute Voraussetzungen für einen erfolgreichen Tag. Julian hatte schon einen lockeren Waldlauf hinter sich, Nico war ausgeschlafen und fröhlich, nur Jan kam wie immer als Letzter und mit halb geschlossenen Augen angeschlurft, was mich in die Situation brachte, den Vito durch Pleven zu steuern. Von den Sportfahrern auf den billigen Plätzen hinter mir bekam ich permanent Tipps, wie man Schwellen umsteuert, wo Polizeiposten stehen und wie schnell man welche Kurve nehmen kann. Ich überlegte kurz, ob ich den Jungs erzählen sollte, dass ich bereits einen Führerschein hatte, als sie noch Holzwolle aus dem Teddy gepuhlt haben, oder von meinem Donut mit dem Omega berichten sollte, ließ das aber lieber sein, frustrierte Sportfahrer neigen nicht zu Höchstleistungen. Wir brauchten marginal länger für die Fahrt zur Strecke als am Tag zuvor, verbrauchten dafür aber nur einen Bruchteil des Treibstoffs und mussten keinerlei Gebühren an irgendwelche Polizisten entrichten. Um sein Leben hatte auch niemand fürchten müssen, aber das ist zweitrangig. Im Fahrerlager angekommen, kümmerte ich mich um die Kaffeemaschine, die anderen erledigten so nebensächliche Dinge wie Motorräder ausladen, Reifenwärmer aufziehen und Schutzkleidung bereit legen. Es war frisch, aber die Sonne grinste schon fett vom Himmel herab, es versprach, warm zu werden. Für heute standen ein freies Training, das Zeittraining und zum Abschluss die entscheidenden Qualifying Races auf dem Zettel und die Jungs waren entsprechend nervös. Jan und Nico kannten die Strecke ja schon aus dem Vorjahr, für Julian sollte es das „Erste Mal“ sein, man merkte ihm aber nicht viel an.
Ich entschied mich für die Paste mit Tomatensauce, was etwas mehr Vorbereitung erforderte und machte mich an die Herstellung der Tomatensauce. Ein paar Gewürze wären schön gewesen, ich fand aber noch nicht einmal Salz in den vielen Hospitality Kisten, nächstes Jahr werde ich Mami D. beim Einkaufen begleiten. Für die Nudeln würde ich aber Salz brauchen, also schickte ich jemanden los, bei Vorli nachzufragen. Die Tomatensauce bestand also aus passierten Tomaten und einer prima Fertigsauce al Arrabiata. Die Pampe köchelte vor sich hin, Nudeln wollte ich später erst machen, die Jungs waren jetzt im halbstunden Takt auf dem Track, einen Zeitpunkt für's Essen zu finden, war schwierig.
Im freien Training schlugen die Burschen sich schon mal gut, kamen prima mit dem Track zurecht und brachten gute Zeiten mit. Nach dem freien Training ging die Diskussion um die Reifen los, ich klinkte mich aus und wurde im Pressecenter vorstellig, um mir einen Platz im Netz zu sichern und ein bisschen mit Daniele zu plaudern, dem Pressekoordinator von Youthstream, den ich nun schon bei einigen Veranstaltungen getroffen habe und der ein netter Kerl ist.
Dann machte ich mich daran, Nudeln zu kochen. Der Strom in Bulgarien ist wohl eher schwach, die paar Liter Wasser benötigten eine gute Stunde, um heiß zu werden. Die ersten maulten schon rum, ich befürchtete eine Meuterei und stellte schnell Brot und Käse, sowie etwas Wurst und Weingummi bereit. Die quengeligen Stimmen verstummten und schon ging es los mit dem Zeittraining, jetzt wollte sowieso keiner mehr essen, alle standen an der Strecke und fieberten mit. Noch mal Glück gehabt, dachte ich bei mir und feuerte den Kocher an. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, das Wasser kochte und die Nudeln mussten dran glauben. Drei Wochen später waren sie dann auch so weich gekocht, dass man sie getrost als al Dente einstufen konnte und ich stellte sie warm. Jetzt konnte jeder, der wirklich wollte, etwas essen. Ich wollte.
Die anderen langten auch zu, jeder so, wie er gerade Zeit fand und alle wurden satt. Es gab ja auch noch Weingummi.
Die Zeittrainings waren gut verlaufen, Julian stand auf Platz 3, Nico wurde in der S2 Siebter und Jan schaffte Platz 4 in der Open. Nico war unzufrieden, wir konnten ihn aber aufbauen, schließlich war er in der stärksten Klasse unterwegs und seine Zeit war wirklich gut. Er klagte über eine nachlassende Bremse und Sascha machte sich daran, das Ding noch einmal sauber zu entlüften.
Inzwischen war es soweit, das erste Qualifikationsrennen stand an, Julian musste sich und seinen dritten Platz gegen die anderen Nationen behaupten. Ich packte die Kamera weg, wollte in Ruhe zusehen und Daumen drücken, wollte mitten im Team sein. Am Sonntag, bei den Rennen, würde ich im Infield rumlaufen und Bilder machen, mir Notizen zum Rennverlauf auf einen Zettel schreiben und nebenher Daumen drücken. Heute wollte ich frei sein und das Rennfieber mal wieder ganz ohne andere Aufgaben genießen ein letzter Rest vom Racer ist ja noch wach in mir.
Julian setzte sich gleich beim Start auf Platz zwei und konnte diesen Platz auch bis ins Ziel verteidigen, ein guter Auftakt für Team Germany.
Nico kämpfte sich einen Platz nach vorne, Platz 6 im Ziel, die Laune im Team stieg. Beim Start zum Rennen stand ich neben Julian in der Pitlane, er beobachtete den Start und in dem Moment, als die Ampel ausging, schnellten die Finger seiner linken Hand, die er vorher gekrümmt hatte, als ob er den Kupplungshebel halten würde, vor und die rechte Hand drehte nach unten. Ich schwöre, dass der ganze Körper angespannt war, als ob der Kerl in diesem Moment selbst da am Start gestanden hätte. Vollblutracer, mehr fällt mir dazu nicht ein.
Jan verstronzte mal wieder den Start und legte sich dann richtig ins Zeug, er rettete seinen vierten Platz letztlich ins Ziel.
Dann ging die Rechnerei los und als Resultat kam ein dritter Platz für uns heraus, hinter Italien und Bulgarien. Eine gute Voraussetzung für den nächsten Tag, hatten die Jungs doch beim nachmittäglichen Fernsehinterview von einer Top 5 Platzierung geredet und insgeheim gemeint, den vierten Platz der deutschen Moto Crosser beim Cross der Nationen mindestens egalisieren zu wollen.
Nico haderte immer noch mit seiner Bremse und so wurde noch einmal das komplette System überarbeitet, die Mechaniker stürzten sich mit geballter Kraft auf die Magura und tiedelten an dem Teil rum. Ich kümmerte mich um den Abwasch und besorgte ein paar Dosen Bier, was ja wohl mein Job war.
Irgendwann war das Bremsdingens dann auch soweit, dass man ihm zutraute, seinen Job zu erledigen und auch der Berg wurde eingeladen.
Für den Heimweg wurde der Brecher als Fahrer ausgelost und er war gleich wieder auf Zeitenjagd. Dummerweise hatte die innerörtliche Rennleitung noch nichts von der WM gehört und stoppte uns. Julian musste sich dem Kampf allein stellen und gab sich kleinlaut. Die Polizisten gaben ihm zu verstehen, dass er als Bulgare soeben seinen Führerschein eingebüßt hätte und überlegten sich eine angemessene Summe, die ihn in die Freiheit entlassen würde. Während Julian im Vito nach Geld suchte, stiegen die Kollegen vom Staatsdienst in ihren Dienstwagen und fuhren einfach davon. Wahrscheinlich hatten sie Feierabend oder waren Fans vom Team Germany. Wir setzten die Fahrt jedenfalls unbehelligt fort und Julian musste sich einige Sprüche anhören.
Im Hotel gab es wieder den üblichen Kampf mit dem Personal, heute war eine ehemalige Domina die Chefin, Bestellungen wurden nur widerwillig und mit Karate-Englisch entgegengenommen, oder aus der Speisekarte abgelesen. Wir teilten den Raum mit der Fußball Nationalmannschaft aus Mazedonien oder Aserbaidschan, die am nächsten Tag ihr Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft gegen Bulgarien bestreiten würde. Vesi konnte das mit seinen Fremdsprachenkenntnissen herausfinden und wir prosteten den Kickern aufmunternd zu. Unsere Sportfahrer waren wieder früh in ihre Zimmer verschwunden, wir alten Herren ließen uns etwas mehr Zeit, im Alter braucht man ja nicht mehr soviel Schlaf und so richtig Gasgeben mussten wir am nächsten Tag ja auch nicht.
Als ich dann später auch im Bett lag, waberten die Gedanken durch meinen Kopf. Dritter Platz in der Qualifikation, können die Jungs das Ding wirklich so durchziehen oder kommt dann doch alles anders? Fahren alle sauber durch und retten ihre Startplätze ins Ziel oder verbessern sich sogar noch? Oder geht alles schief, jemand stürzt, ein Motor geht hoch oder die anderen sind dann, wenn es darauf ankommt, doch wieder einen Ticken schneller? Mit diesen Gedanken, die immer weiter rotierten und abstruse Formen annahmen, trieb ich ab ins Reich der Träume und darüber, was dann in meinem Kopf ablief, werde ich hier nicht schreiben.

Am Sonntag waren wir dann etwas früher im Restaurant, der Kaffee war kurz davor, den Aggregatzustand „fest“ zu erreichen. Die Reifenwärmer hatten wir auch vergessen und so hielten wir uns nicht allzu lange dort auf. Das Rührei war seltsamerweise noch warm, eine wirkliche Strategie des Personals war nicht zu erkennen. Wahrscheinlich zielte man auf völlige Verwirrung der Gäste, um von anderen Missständen abzulenken. Die Außentemperaturen in Pleven lagen noch unter der des Kaffees, zudem war es nebelig. Ich wähnte mich kurz in London, das erste kyrillisch beschriftete Straßenschild holte mich zurück in die Realität. Im Fahrerlager zeigte sich dann, wie gut wir schon aufeinander eingespielt, wie sehr wir zu einem Team gereift waren. Ich kümmerte mich um das Wichtigste, den Kaffee, und die anderen spielten mit den Motorrädern herum. Wie jeden Morgen baute ich meine Profiküche auf und bestückte den Tisch mit feinsten Frühstückszutaten. Jeder Handgriff saß, Cerealien mit einem edlen Überzug aus Kakao kamen aus der Blechkiste, dazu gesellte sich Milch. Wurst, Käse, Brot, Müsliriegel und Weingummi kamen noch dazu. Ich bereitete auch gleich die feinen Nudelteigtaschen mit hochwertiger Fleischfüllung an Tomatensauce vor, den Fehler vom Vortag wollte ich vergessen machen und ab dem Mittag eine kräftige Mahlzeit zur Verfügung stellen.
Unsere Jungs waren in der ersten Gruppe, die das warm up bestreiten sollte und warfen sich zeitig in ihre Arbeitskleidung. Zum warm up stand ich dann wieder mit der Kamera an der Strecke um ein paar Bilder vom Formationsflug der Sportfahrer zu machen. Auf Nachfrage, von welcher Stelle der Strecke sie denn am liebsten Bilder haben wollten, kam natürlich der Wunsch nach Big Air Pics, Kurven scheinen uninteressant zu sein. Ließe man die Burschen frei fahren, tobten sie wohl nur in der Sky Section herum. Der Nebel versaute mir leider die meisten Bilder, Licht war einfach nicht vorhanden, alles wirkte grau in grau, aber unsere Jungs drehten erstaunlich flotte Runden, meist im Pulk, und live zusehen ist eh besser als Bilder anschauen. Nach den warm up Läufen wurde zur gemeinsamen und offiziellen Teamvorstellung auf die Startgerade gebeten, jede Menge Offizielle und auch der oberste Vertreter der ansässigen Kirche waren anwesend. Jede Menge ziemlich hübscher Weinköniginnen oder Hupfdohlen waren mit Schildern bewaffnet, auf denen die Nationen vermerkt waren und unsere Sportfahrer ließen sich von mir mit allen gleichzeitig ablichten, was auch den Damen offensichtlich viel Freude bereitete. Erfolg macht eben sexy, auch wenn er noch ein paar Stunden auf sich warten lässt. Nico war anschließend etwas besorgt, dass seine Freundin davon etwas erfahren könnte. Ich kann Dich beruhigen Nico: Von mir erfährt sie nichts.
Zur Fahrervorstellung hatten sich dann alle Teams mehr oder weniger ordentlich nebeneinander aufgereiht, jeweils eine Schönheitskönigin hielt die Tafel und die Offiziellen sprachen ihre Begrüßungsworte. Inzwischen waren auch jede Menge Zuschauer um die Strecke verteilt, besonders die neu gebaute Mega Tribüne für etwa 3000 Fans an der Sky Section war gut gefüllt. Dann trat der geistliche Führer an das Mikrofon und segnete das Vorhaben Supermoto of Nations mit einer einzigartigen Zeremonie. Sein melodischer Singsang zauberte ein Lächeln in die Gesichter der Teilnehmer und zum Abschluss schritt er die Reihe noch ab und versprühte Weihwasser über jedes Team. Nach dieser wirklich bewegenden Zeremonie gingen wir zurück zu unserer Residenz im Fahrerlager und trafen die letzten Vorbereitungen. Nach den guten Ergebnissen der Sportfahrer in den Qualifikationsrennen hatten wir beschlossen, dass jeder der Drei einmal aus der ersten Reihe starten sollte. Der Platz ist natürlich begehrt, weil da die Kameras stehen und Georgia die Interviews führt. Jan hatte einen Zettel vorbereitet, den er in die Kamera halten wollte: „Vierauge grüßt das Supermoto.de Forum“ und auch Julian und Nico überlegten sich etwas für diesen Moment. Im ersten Rennen würde der Brecher von Platz 3 starten und Nico von Platz 19. Um die aufkommende Nervosität etwas zu dämpfen, packte ich dann das mitgebrachte Spielzeug aus, eine Kollektion von SpongeBob Kuriositäten und Jan war gleich dabei und legte los. Die beiden anderen ließen sich aber nicht so recht anstiften und so wurde es im Laderaum des Trucks, wo die Burschen saßen, schnell wieder still. Naja, so ein Lauf zur Supermoto of Nations ist eben doch was Besonderes und da darf man auch ruhig ein bisschen nervös oder angespannt sein. Tommy hatte sich in den geschlossenen Pavillon zurück gezogen und versuchte zu sich selbst zu finden oder so was. Vesi und Sascha umkreisten die Arbeitsgeräte von Jan und Nico auf der Suche nach einer losen Schraube oder einem Staubkorn und ich steckte mir eine Kippe nach der anderen an. J.P. saß in der Sonne und Uetze war sowieso die Ruhe selbst. Um nicht soviel zu rauchen, arbeitete ich an der Vernichtung der Weingummi Vorräte und latschte mir die Sohlen von den Schuhen. Irgendwann tauchten dann die Red Bull Damen auf und die Sportfahrer verlangten nach der Brause. Die Damen waren aber recht geizig beim Verteilen, also flitzte ich schnell zu ihnen rüber und lichtete sie ab. Die Ladys waren erfreut, wollten Abzüge von den Bildern und so bekam ich die EMail Adresse von Rosi Rok. Als Gegenleistung für die Bilder lockte ich die beiden unter Vorspiegelung fast richtiger Tatsachen in unser Zelt und die Jungs bekamen einen kleinen Vorrat an Getränkedosen.
Die beiden Alleinunterhalter vom Dunlop Service Truck gegenüber machten einen wirklich guten Job, mit fast schon marktschreierischen Fähigkeiten unterhielten sie die Zuschauermassen und zogen Reifen im Akkord auf. Nebenher fanden sie noch Zeit, die Laufbilder der Reifen unserer Sportfahrer zu analysieren. So ein dritter Platz hat echte Vorteile, auch der FIM Präsident und der Rennleiter beehrten uns mit einem Besuch und wünschten Glück für die anstehenden Rennen. Viele Zuschauer blieben stehen, wollten Autogramme, Bilder von sich oder ihren Kindern mit den Bikes, Kappen, T-Shirts und andere Souvenirs. Es herrschte reger Verkehr im Fahrerlager und ich mischte mich ein paar Mal unter die Massen, um meine Nervosität zu verbergen. Manchmal denke ich, ich sollte wieder selber fahren, weil ich glaube, dann ist es irgendwie einfacher, die Spannung zu ertragen. Wenn ich aber ehrlich bin, war ich in meiner aktiven Zeit mindestens genau so nervös, wenn nicht sogar noch nervöser.
Jetzt aber Schluss mit Nervosität, Anspannung und Spekulationen über ein mögliches Ergebnis. Jetzt ging es endlich los, das erste Rennen des Tages stand auf dem Programm. Die Klassen S1 und S2 wurden zum Schlagabtausch auf den Track gebeten, Julian und Nico machten sich fertig, Uetze und Sascha packten die Aggregate und die Reifenwärmer für den Vorstart und die Startaufstellung auf die Transportkarren, die Bikes wurden von den Hubständern gehoben und gestartet. Das Team machte sich auf den Weg zur Strecke, Vesi blieb als Hüter der Residenz zurück und ich packte die Kamera und den Notizblock ein. Endlich ging es los, let's go racing!

Im Vorstart war es schon voll als wir ankamen, das sprach für unser Timing. Kaum angekommen, ging es auch schon los in die Startaufstellung. Die Motorräder kamen auf die Ständer, die Reifenwärmer wurden wieder um die Gummis gewickelt und an das Aggregat angeschlossen. Für die vorderen Reihen standen die Schildhalte- Weinköniginnen bereit, in den hinteren Reihen sorgten meist Teammitglieder für den Schatten. Julian hatte einen Zettel für die Kameras bereit, auf dem er sich bei seinen Sponsoren und seiner Familie bedankte und hatte ihn zwischen Tank und Sitzbank geklemmt.
Foxy gab das Signal: „One Mechanic in the Grid!“, die Reifenwärmer mussten runter, die Mechaniker aus der Startaufstellung, gleich ging es in die zwei Aufwärmrunden und danach stand fast unmittelbar der Start an. Georgia rannte schnell noch zu Julian, um ihn zu interviewen. Er gab sich locker, verstand die zweite Frage nicht und redete trotzdem los, kam ins Stocken und schaute verwirrt. Georgia nahm es mit einem Lächeln auf und fragte noch einmal nach, Julian wurde seine Antwort dann doch noch los und Georgia sprintete aus der Startaufstellung. Es wurde auch Zeit, die grüne Flagge hinter dem Feld wurde schon geschwenkt, das Youthstream Team legt Wert auf Pünktlichkeit. Reihe für Reihe ging es los, zwei warm up laps waren zu absolvieren und dann standen alle wieder auf ihren Startplätzen, waren sortiert und die Strecke wurde freigegeben. Ampel auf Rot, die Motoren drehten hoch, ein sattes Dröhnen lag in der Luft, der geilste Moment eines Rennens stand bevor. Die Ampel ging aus, Kupplungshebel flogen, die Meute donnerte los....
Ich war kurz zuvor in die erste Kurve gelaufen, um dort Bilder vom Start zu machen und sah das Fahrerfeld auf mich zu fliegen. Julian kam gut weg und bog als Zweiter in die Kurve ein, dicht hinter dem Bulgaren und knapp vor dem Italiener. Dann wischten die Fahrer nur so vorbei, in dem Knäuel konnte ich Nico nicht gleich orten, meinte aber, ihn als Vierzehnten gezählt zu haben. Als die Meute vorbei war, rannte ich zurück, um den Rest des Rennens vom Anfang der Zielgeraden aus zu beobachten, von dort konnte ich einen Großteil der Strecke einsehen, vor allem in die Sky Section hatte ich einen guten Einblick. Nach der ersten Runde war Julian wieder Dritter, Gaspardone hatte ihn irgendwo überholt, aber Julian hing in dessen Heck und blieb auch dran, das sah gut aus. Nico kam als Zwölfter aus Runde 1 zurück, er war an seinen Vorderleuten dran und machte mächtig Druck. Man konnte ihm ansehen, dass er mehr wollte, es ging vorwärts und das machte Hoffnung. Die Spitze etablierte sich, Julian war sicher auf Platz drei unterwegs und Nico pushte etwas weiter hinten, er machte jede Runde mindestens einen Platz gut. Ich trabte zwischen Sky Section und Start/Zielgerade hin und her, machte ab und zu ein Foto und kritzelte irgendwas auf meinen Zettel. Eigentlich war ich viel zu aufgeregt, mir Notizen zu machen und ich sollte ja auch später die Ergebnislisten und Lapcharts bekommen. Viel passierte auch nicht mehr in dem Rennen, Nico fightete sich auf Platz acht vor und Julian fuhr unbedrängt auf 3. Mit dem Schwenken der Zielflagge fiel dann auch von mir eine Last ab, Teil 1 des Unternehmens war geschafft. Ich zählte im Kopf schnell die Plätze zusammen und sah Team Germany zusammen mit den Italienern auf Position 1, dahinter die Bulgaren. Weder Bartolini noch Georgiev war es gelungen, sich so durch das Feld zu tanken, wie es Nico geschafft hatte, der kleine Grieche hatte unser Team durch seinen verbissenen Fight nach vorne gebracht!
Schnell zurück ins Fahrerlager mit kurzem Zwischenstopp im Pressecenter, eine Kurzmeldung ins Forum absetzen und feststellen, dass der Haufen per Livestream sowieso alles mitbekommt. Also schnell in die Residenz, Julian und Nico beglückwünschen und schnell ein paar Weingummi futtern. Das Zeug ist prima gegen Nervosität!
Kaum angekommen, ging es auch schon wieder los, diesmal mussten Nico und Jan ran, die Berg war frisch betankt, die Räder waren getauscht und frische Reifen warteten darauf, malträtiert zu werden. Jan war jetzt ziemlich hibbelig, das würde sich auch erst wieder legen, wenn er endlich in der Startaufstellung stand und Vesi ihn mit einem Händedruck auf die Reise schicken würde. Wir kamen wieder passend im Vorstart an, kurz danach standen wir in der Startaufstellung. Sascha und Nico hatten ihre Boxentafel mit einem Gruß an Lars versehen und hielten sie in die Kameras. Das erregte etwas Aufsehen bei der Rennleitung und beim FIM Präsidenten, die auch durch die Reihen der Fahrer liefen. Ich erklärte die Umstände und bekam den Auftrag, Grüße weiter zu leiten.
Da fällt mir ein, was ich bisher vergessen habe: „Hallo Lars, ich soll Grüße von der Rennleitung und Herrn Srb ausrichten!“
Sorry, aber die ganze Aufregung............
Dann ging die Nummer wieder los, „One Mechanic!“ , warm up laps und dann, endlich, der Start.
Ich stand wieder in Corner 1 und wartete darauf, dass die Ampel aus ging.
Gruß, Klaus (nopa)
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nopanic
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Re: Ich möchte Euch gern eine Geschichte erzählen

Beitrag von nopanic »

Nico setzte sich mit einem leichten Schlenker vor Gaspardone und bog als Zweiter in die erste Kurve ein, hinter der Spitzengruppe krachte es zwischen einem Spanier und einem Schweden, der Rest des Feldes wurde neu gemischt. Jan verlor dabei Plätze, machte sich aber gleich daran, Boden gut zu machen. Ich lief wieder zurück an den Anfang der Startgeraden, gegenüber der Boxen wartete ich auf die Spitze des Feldes. Georgiev bog ums Eck, dahinter ein Dreierpaket aus Gaspardone, Nico und Uros Nastran, dem schnellen Slowenen. Nico verhakte seinen Lenker bei Nastran und ging zu Boden, rutschte quer über die breite Piste auf mich zu. Ich sah, wie er verzweifelt den Lenker festhielt und noch im Rutschen versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Kurz vor der Wiese kam das seltsame Gespann zum Stillstand, Nico sprang auf, riss das sackschwere Trumm hoch als wäre es ein Mountainbike und fuhr gleich wieder los. Während er die Startgerade hinunter beschleunigte, klopfte er den Hebelschützer wieder in die richtige Position, danach ging die Jagd auf die Fahrer los, die ihn bei der Aktion überholt hatten, er lag zu diesem Zeitpunkt auf Platz 10 und hatte eine Menge Arbeit vor sich. Jan kam als Zwanzigster aus Runde 1 zurück, hing aber seinen Vorderleuten schon im Heck. Nico verlor in der nächsten Runde noch einen Platz, Jan machte drei Plätze gut. Wenn sich der kleine Grieche nach dem Schreck jetzt wieder berappelte und seine bekannte Performance zeigen konnte, ginge das Ganze doch noch gut aus. In der nächsten Runde hatten beide wieder einen Platz aufgeholt. Georgiev lag souverän vorne, Gaspardone auf Platz 2 bekam langsam Druck von Nastran. Nico schaffte einen weiteren Sprung nach vorne, Jan kam schon als 15ter über die Ziellinie. Dann fiel Nico erst zwei Plätze zurück und eine Runde später fehlte er erst einmal ganz, kam dann aber doch noch als Zweiundzwanzigster um die Ecke gebogen. Entweder hatte er noch eine Bodenprobe genommen, oder irgendetwas an seiner Berg war nicht in Ordnung....
Jan hatte wieder Plätze gut gemacht, war jetzt schon auf 11 und es sah nicht so aus, als sei er schon zufrieden. Während Nico mit fehlender Vorderradbremse, wie jetzt an seinem Fahrstil klar zu erkennen war, seinen Platz verteidigte, schaffte Jan den Sprung auf Platz 9. Nico fightete wie besessen, die Box signalisierte ihm, er solle unbedingt bis zum Ende durchfahren. Er machte sogar noch einen Platz wieder gut und rettete Platz 21 ins Ziel. Georgiev hatte das Ding souverän nach Hause gefahren und Gaspardone musste sich in der letzten Runde doch noch Nastran beugen. Jan schaffte Platz 9, hatte mehr als 10 Plätze gut gemacht.
Nico war danach total geknickt, Sascha ebenso. Der Ausgleichsbehälter an der Bremse war weg, das Gewinde ausgerissen. In der Residenz angekommen, beglückwünschte ich Jan zum tollen Rennen und dann tröstete ich den kleinen Griechen und seinen Mechaniker. Shit Happens, ein Sturz kann immer passieren und er hatte den Crash ja nicht selbst verschuldet, das war ein ganz normaler Rennunfall, drei Mann wollen um dieselbe Ecke, gleichzeitig natürlich.
Wieder drängte die Zeit, Jan's Mopet musste für den nächsten Lauf vorbereitet werden und eine Entscheidung zum Start musste her. Wer sollte aus Reihe 1 starten? Jan, der eigentlich dran war oder doch Julian, der sich dort schon einmal eindrucksvoll behauptet hatte? Und wie war der Zwischenstand in der Wertung eigentlich? Und wer sollte beim entscheidenden Lauf in der Residenz bleiben, um allzu forsche Andenkenjäger nicht in Versuchung zu führen? So viele Fragen, so viel Arbeit noch zu erledigen und so wenig Zeit bis zum nächsten Start.
Ich schnappte mir eine Handvoll Weingummi, nur mal so, prophylaktisch......

Die Frage, wer von vorne starten sollte, entschieden die Youngster in einer Sitzung im Laderaum des Trucks unter sich, Jan verzichtete auf das Privileg. Er war der Meinung, Julian sei da vorne richtig stark und er, Jan, habe in der letzten Saison ja genug Starts aus guten Positionen verstronzt und anschließend immer Plätze gut gemacht. Julian hatte nichts dagegen, ich denke mal, er fühlte sich da vorne ziemlich wohl und nach dem letzten Wochenende, wo er bei der Schweizer Meisterschaft zweimal am Start abgeräumt worden war, hatte er so richtig Lust auf einen guten Start.
In der Zwischenwertung lagen wir jetzt auf Platz 4 hinter Italien, Bulgarien und den Finnen, die uns aber, wenn alles normal ablief, nicht gefährden konnten. Ein Rennen ohne Stürze oder technische Katastrophen sollte eigentlich ausreichen für einen Platz auf dem Treppchen, womit wir mehr erreicht hätten, als irgend jemand erwartet hätte oder gar zu hoffen gewagt hätte!
Blieb noch die Frage nach dem Unglücklichen, der die Residenz bewachen sollte. Alles in den Truck räumen war zu aufwändig, den Gedanken verwarfen wir schnell wieder. Sascha war an der Reihe, weil er als Mechaniker nicht in der Box gebraucht wurde, sein Fahrer hatte ja Dienstfrei. J.P. wollte unbedingt vorne mit dabei sein, und ich musste ja das Rennen wieder aus dem Infield beobachten, um den Bericht schreiben zu können. Wir machten uns also auf zum letzten Gefecht und ließen einen tief traurigen Sascha zurück.....
In der Startaufstellung gab ich Julian einen Klaps und wünschte ihm viel Spaß, Jan bekam einen Händedruck mit auf den Weg. Sagen konnte ich nichts mehr, ich hatte einen dicken Kloß im Hals. Auf dem Weg zur Startkurve rauchte ich die 100ste Zigarette an diesem Tag und positionierte mich dann wieder an der Stelle, wo ich ein gutes Bild erwartete. Beim Blick durch den Sucher stellte ich einen Schleier fest und putze das Objektiv und den Sucher, der Schleier blieb. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und hatte wieder freie Sicht. Gerade rechtzeitig, denn die warm up laps waren absolviert, die Meute stand auf den Startplätzen und die Ampel stand auf Rot. Ich versuchte, beide Daumen zu drücken und gleichzeitig den Auslöser zu betätigen und siehe da, mit der richtigen Technik klappt das sogar. Von mir aus konnte es jetzt losgehen, ich war vorbereitet. Was sollte uns auch schon passieren? Entweder, die Jungs fahren jetzt einfach durch und stellen sich nachher auf das Treppchen, oder irgendwas geht schief und wir fahren einfach so wieder nach Hause. Einfach so? Nein! Wir fahren wieder nach Hause, aber wir nehmen etwas mit. Wir nehmen Erfahrung mit, wir nehmen den Atem des Teamgeistes mit, den wir in den letzten Tagen tief in unsere Lungen gesogen haben, so tief, dass er uns ins Blut übergegangen ist. Wir nehmen viele Situationen mit, die sich uns ins Hirn gebrannt haben, wir nehmen neue Freundschaften mit, die wir hier geschlossen haben und wir nehmen den Respekt mit, den wir untereinander empfunden haben und der für ein Team oder eine Freundschaft so wichtig ist. Das klingt vielleicht pathetisch, aber genau das ging mir in diesen Sekundenbruchteilen, die zwischen dem Erlöschen der Ampel und dem Start des Rennens vergehen, durch den Kopf.
Der Brecher ging als Zweiter hinter Mariani in die erste Ecke und hatte den Schweden Nilsson am Heck, der junge Bulgare Karanyotov war dem Druck nicht gewachsen und versaute seinen Start mal komplett, als Zehnter kam er in der Kurve an. Jan wiederum bewies, dass er doch starten kann und machte gleich 3 Plätze gut, Sechzehnter in Kurve 1!
Danach wurde es lustig, Mariani stürzte und warf sich vor den Brecher, der nicht anders konnte und den italienischen Kollegen überrollte, aber durch die Nummer Plätze verlor. Er fackelte nicht lange und hatte schon in der nächsten Runde wieder Platz 3 inne. Mariani lag derweil weiter auf dem Track herum und verweigerte den Abtransport durch die Sanis, in den Boxen gingen die Bulgaren vor Wut darüber fast an die Decke, auch andere Teams zeterten und schimpften. Der Rennleiter blieb cool, ließ das Rennen weiter laufen und stellte an der Unfallstelle eine Hundertschaft von Streckenposten auf, die mit gelben Flaggen den Zug an der Gefahrenstelle vorbei leiteten. Jan machte einen Platz nach dem anderen gut und Julian hatte sich im Heck von Nilsson verbissen. Auch im weiteren Verlauf war uns der Aufzynd gesonnen, Jan war nach sieben Runden bereits Siebter, hatte einen super Job geleistet und bekam aus der Box signalisiert, dass er auf Sicherheit fahren sollte. Julian bekam dieselben Signale und blieb am Schweden dran, riskierte aber nichts mehr. In Runde 5 hatte bereits der Hund von Bartolini die Flügel gestreckt und Karanyotov eine Bodenprobe genommen. Der Heißsporn versuchte zwar, sich wieder nach vorne zu fahren, lief aber dauernd auf Leute auf, die sich an seine Aktion aus dem Qualifying Race erinnerten, als er Bolcek abgeschossen hatte und zeigten ihm ziemlich deutlich, was sie davon hielten. Da wurde mal kurz die Bremse angetippt und Karanyotov knallte gegen ein Hinterrad, da rutschte ein Heck in der Kurve nach außen, genau vor sein Vorderrad und so weiter. Er kam einfach nicht weiter vor und wurde fuchsteufelswild. Das half aber auch nicht weiter, er machte immer mehr Fehler, letztlich ging noch sein Teamkollege an ihm vorbei, aber auch im Formationsflug konnten die Bulgaren nichts mehr erreichen.
Julian wurde Dritter, Jan sensationell Siebter und dann nahm das Chaos seinen Lauf................
Julian hielt nach der Zieldurchfahrt an der Ausfahrt von der Strecke an und Georgia rannte zu ihm. Er hatte noch gar nicht realisiert, genau wie ich, was da gerade passierte. Georgia sagte ihm, wie das Endergebnis lautete und er brach in wilden Jubel aus. Dann kam Jan dazu, wurde endlich auch aufgeklärt und legte die Suzi hin, um Julian an zu springen und in wilden Jubel aus zu brechen. Auf dem Weg hin zu den Beiden sah ich im Augenwinkel einen sich mit Lichtgeschwindigkeit vorwärts bewegenden Schatten (Nico) auf dem Weg von der Boxengasse zum Streckenausgang. Ich schätze, er hat für die etwa 400m nicht mehr als 3 Sekunden gebraucht!
Die Drei lagen sich in den Armen, schrien, jubelten und stammelten, als ich ankam. Ich schrie, jubelte und stammelte mit und umarmte das Trio. Sascha war auch schon da, er hatte sich kurzerhand einen Hubständer geschnappt und den an den Streckenrand gestellt, so das er die Strecke und die Residenz im Auge behalten konnte. Der Funk Kopfhörer, den wir ihm da gelassen hatte, muss wohl die Funktion eingestellt haben während des Rennens....
Er erinnerte mich in dem Moment ein bisschen an den Hobbit Samweis Gamdschie, der auch ab und zu seine Aufgaben vergaß, wenn es irgendwo spannend wurde.
Gemeinsam strebten wir in Richtung Siegerehrung, Jan rief die ganze Zeit nach seinem Zahn und alle redeten durcheinander. Ich ließ mich etwas zurück fallen, um einmal tief durch zu atmen. Weltmeister!
Wir waren gerade Weltmeister geworden!

Dann kamen auch die anderen aus der Box angelaufen und die Umarmerei ging von vorne los. Ich umarmte Tommy, Vesi umarmte Jan und gab ihm endlich den Zahn, den er in der Hosentasche hatte, J.P. umarmte Julian, Sascha umarmte Uetze, der wiederum mich umarmte und dann kamen J.P. und Vesi um mich zu umarmen und Nico umarmte Tommy und so weiter. Es war unglaublich, Tommy's Handy klingelte permanent, er ging immer brav ran und sagte dann jedes Mal mehrfach „Weltmeister!“ bevor er wieder auflegte. Die Jungs bekamen Wasserflaschen und nasse Tücher gereicht, um sich einigermaßen in Form zu bringen, dann gab es noch frische Dunlop Caps, die auf den Teamcaps landeten und währenddessen umjubelten, umkreischten und umarmten wir uns alle Gegenseitig. Die Zeremonie ging los, das Treppchen wurde von den drittplatzierten Finnen erobert, dann von den Bulgaren und dann von Team Germany. Ich rannte mit der Kamera rum und suchte einen guten Platz zum Fotografieren, inzwischen war im Journalistenkäfig schon mächtig was los. Ich schlich mich vor die Absperrung, aber ein Wachmann hatte etwas dagegen. Ich verwies auf mein Teamhemd, aber der Kerl hatte absolut keinen Respekt vor einem frisch gebackenen Weltmeister. Da kam Daniele Rizzi angelaufen und sagte zu dem Zerberus: „This guy is allowed to do everything!“
Endlich mal jemand, der mich wirklich zu würdigen weiß!
Die Siegerehrung ging inzwischen weiter, die Pokale waren verteilt und die 50 Liter fassenden Schampuspullen waren bei den Fahrern angekommen. Jetzt war Badetag angesagt, jeder begoss jeden mit der klebrigen Plörre, Nico in seinem Überschwang sogar sich selbst. Dann gab es noch Medaillen, irgendwelche Platten und ein Foto der Fantastischen Drei samt ihren Motorrädern, bevor es in einen vorbereiteten Raum zur Pressekonferenz ging. Uetze hatte sich inzwischen verabschiedet um die Residenz zu bewachen. „Ich muss da nicht die ganze Zeit dabei sein, das ist schließlich mein 11ter Weltmeistertitel, ich bin da ja schon Profi!“
Zur Pressekonferenz waren die Fahrer und der Teamchef gebeten, die Teams nahmen an dem großen Tisch Platz und wir Fotografen machten noch mehr Bilder von ihnen und den Pokalen. Wieder gab es Wasser für die Fahrer, Nico nutzte es, um sich den Klebefilm aus dem Gesicht zu waschen, den seine Schampusdusche hinterlassen hatte. Dann gab es die üblichen Fragen, Daniele führte das Interview und übersetzte, wenn nötig. Die Bulgaren waren ziemlich angefreßen, die Finnen konnten gar nicht glauben, dass sie Dritte geworden waren und Team Germany war....äh....ja also...Team Germany war …...
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Team Germany war WELTMEISTER!
Tommy erklärte, wie es dazu gekommen war und dann war die Pressekonferenz vorbei. Sasho Georgiev sprang gleich nach seinem Interview auf und lief aus dem Raum, alle schauten etwas verwirrt, aber die bulgarische Pressereferentin hatte die Erklärung gleich parat: Georgiev war gerade im Begriff, Vater zu werden! Das ist eine durchaus zu akzeptierende Entschuldigung für sein Verhalten.
Anschließend gab es noch die Ehrungen für die jeweiligen Gewinner der einzelnen Klassen, Julian war bester S1 Fahrer, Gaspardone bester S2 Pilot und der Spanier mit dem wohlklingenden Namen Ruben de Diego Retuerta gewann die Open Klasse. Nochmal Fotos und dann war der Spuk vorbei, ich entschuldigte mich bei Tommy und verschwand im Pressebüro, um meinen Bericht für die Speedweek zu tippen und meine Bilder zu speichern. Während ich auf das Laden der Bilder wartete, unterhielt ich mich mit Georgia und Daniele, die beide sehr erfreut über unseren Sieg und die Herzlichkeit des Jubels waren. Niemand hatte damit gerechnet, dass die drei Young Guns from Germany derartig abräumen würden, aber alle freuten sich darüber. Naja, die Bulgaren wohl nicht, aber auch Gaspardone war gekommen um zu gratulieren, als er mich anhand des Hemdes als Teammember erkannte.
Nachdem ich den Bericht in den weltweiten Netzäther gejagt hatte, packte ich mein Equipment zusammen, verabschiedete mich von Georgia und Daniele und eilte schlanken Fußes zu unserer Residenz. Das Fahrerlager hatte sich schon ziemlich gelichtet, unser Vorzelt und die Pavillons waren abgebaut und mehrere Haufen Materials warteten darauf, verladen zu werden. Der Vito stand mit offenen Türen daneben, lautes Geräusch drang daraus hervor und auf der Rückbank lagen sie, die Objekte meiner Begierde: Mehrere gut gekühlte Flaschen mit feinem Gerstensaft befüllt. Ich meldete mich beim Teamchef mit einer Umarmung zurück und riss mir erstmal ne Kanne auf. Dann stand ich da, Bier rannte meine Kehle runter und ich schaute auf in den Himmel über Bulgarien. Eine weitere Träne floss aus meinem Knopfloch und ich umarmte innerlich die ganze Welt. Hatte ich schon erwähnt, dass wir soeben Weltmeister geworden waren?
Das Verladen des Geraffels zog sich hin, weil wir uns immer wieder gratulieren mussten, Telefonanrufe annehmen mussten, Bier trinken oder uns einfach nur umarmen mussten. Trotzdem waren wir irgendwann fertig, der Truck stand fertig geladen bereit, um am nächsten Tag wieder die lange Reise anzutreten und wir hatten uns von den noch Anwesenden verabschiedet. Nico steuerte den Vito zurück ins Hotel, ohne Zwischenfälle, was erstaunlich war. Ich denke mal, der bulgarische Sportminister hatte eine entsprechende Weisung an die Polizei gegeben.
Wir verabredeten uns zum Abendessen nach der nötigen Dusche. Im Restaurant saß schon das spanische Team und genoss die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Personals. Heute teilten sich die Domina und Freddie Frinton die Arbeit, aber wir mussten erst einmal warten. Versuche, etwas zu bestellen, wurden mit einer Handbewegung abgetan. Tommy erklärte dem Duo Infernale, dass wir gerade Weltmeister geworden waren und so ließen sie sich immerhin erweichen, ein paar Bierchen zu bringen. Wir prosteten den Spaniern zu und warteten darauf, auch etwas bestellen zu dürfen.
Tommy hatte übrigens endlich sein weißes Teamchef Hemd an und natürlich war auch der Monsterpokal dabei! Die Sportfahrer probierten ein paar alkoholische Getränke und langsam wurde es Zeit für feste Nahrung.
Nach dem dann doch noch servierten Essen machten sich Jan, Julian, Nico, Sascha, Vesi und J.P. auf in die City, man war mit anderen Teams zur After Race Party verabredet. Uetze, Tommy und ich genossen die Stille im Restaurant, bis dort Feierabend war. Die Spanier erzählten etwas von einer Bar gleich um die Ecke und wir wackelten mal in die angegebene Richtung, Tommy hatte den Pokal immer noch dabei. Die Bar war gar nicht so weit weg, aber als wir dort ankamen, war angeblich das Bier alle. Wir wackelten also zurück, ich hatte noch ein paar Dosen in der Minibar geparkt. Auf dem Zimmer tranken wir die letzten Vorräte (die dann auch reichten) fachsimpelten und freuten uns. Nach einer letzten Umarmung verließen die Beiden mich und ich fiel wie ein Stein ins Bett und schlief auf der Stelle ein. Weltmeister werden ist ganz schön anstrengend........

Der Montagmorgen begrüßte mich mit Kaffee, dem man zugestehen kann, dass er heiß war. Auch das Rührei war schon aufgetaut und so langte ich ordentlich zu. Eigentlich bin ich kein Frühstücksfan, aber in Anbetracht der vor mir liegenden Strecke wollte ich meinen Magen doch teilweise füllen. Vor uns lagen wieder die knapp 2500km und in Rumänien wollte ich mit dem Truck wirklich nicht anhalten. Meine Erfahrungen an den Grenzen und die Eindrücke der Reisen im letzten und in diesem Jahr machten mich etwas vorsichtig und ich wollte doch niemanden in Versuchung führen. Ich nahm also Rührei, Schwammtoast (der Toast war nicht besser als an den anderen Tagen), Tomaten, Gurke und diesen ganz besonderen Schinken. J.P. kam dann auch dazu, er war irgendwann Nachts zurück gekommen, ich hoffte, dass er gut geschlafen hatte. Uetze war auch schon wach und der Teamchef kam dann auch noch dazu. Gemeinsam tranken wir den langsam kälter werdenden Kaffee und rauchten ein paar Zigaretten. J.P. erzählte ein bisschen von der Party der Weltmeister, die Details müssen weder hier noch sonst wo ausgebreitet werden, also brachen wir schnell das Gespräch ab und Tommy brachte J.P. und mich zum Truck. Wir packten unsere Taschen ein, ich packte noch ein paar Getränke aus dem Laderaum ins Führerhaus und dann starteten wir. J.P. übernahm den ersten Turn, ich hatte vorgeschlagen, im 4 oder 5 Stunden Wechsel zu fahren und J.P. schien einverstanden. Wir waren gerade mal 10 Minuten unterwegs, als wir schon wieder gestoppt wurden. Eine Polizeistreife winkte uns von der Piste und J.P. fuhr rechts ran. Der Polizist wollte Papiere, Führerschein Ausweise und J.P.'s Gurt sehen. Die Papiere waren schnell gefunden, der Gurt hing in seiner Aufhängung und war nicht diagonal über J.P. gespannt. Nach 10 Minuten und zwei Caps setzten wir die Fahrt fort. In Bukarest verfuhren wir uns, wie im Jahr zuvor auch schon, nur hatten wir letztes Jahr kein Navi. Nachdem wir den Fehler erkannt hatten, versuchten wir, auf der 4spurigen Fahrbahn zu wenden, was sich aber als schwierig erwies. Wir mussten knapp 5 km weit fahren, bis sich eine Möglichkeit ergab, den Truck zu wenden. Irgendwie fanden wir den Weg an Bukarest vorbei Richtung Grenze und bald war meine Brücke in Sicht. Mein Besitzerstolz brachte mich dazu, J.P. zu bitten, das Steuer übernehmen zu dürfen, aber er war abweisend. Belgier haben bestimmt Humor, er ist nur gut versteckt. Vor der Brücke stand wieder so ein Häuschen, in dem Jemand saß, dem man Geld geben musste. Ich gab dem Mann das Geld und wir rollten über die Brücke. Wir rollten, weil der Fahrbahnbelag stark an die Sky Section in Pleven erinnerte und wir den Truck nicht frühzeitig zerstören wollten. Auf der anderen Seite der Brücke stand wieder ein Häuschen und davor stand wieder ein Mann, dem man Geld geben sollte. J.P. packte seinen belgischen Humor aus und sagte dem Mann auf Französisch: „Wir haben bereits gezahlt und zahlen jetzt nicht mehr!“ Der Mann drehte sich um und verschwand in seinem Häuschen. Tja, wenn man noch keine 40 Stunden Fahrt hinter sich hat, kann man auch mal sicher auftreten, Pech für den Nebenerwerbszöllnerimitator. Die Grenzkontrolle hielt sich auch in Grenzen, der Uniformierte wollte in den Laderaum gucken, bekam zwei Caps und dann waren wir wieder auf Tour, Rumänien wollte von uns genommen werden.
Wir kamen nur langsam voran, Staus und wahnsinniger Verkehr bremsten uns immer wieder ein, Baustelle reihte sich an Baustelle, die Innenstädte, die wir durchqueren mussten, waren voll gestopft. Der Tag neigte sich schon wieder dem Ende und wir waren immer noch in Rumänien. Es wurde langsam dunkel und dem Navi wurde langweilig. Um etwas Spannung aufkommen zu lassen, lotste uns die freundliche Stimme falsch herum in eine Einbahnstraße. Das ist nicht weiter schlimm, wenn man nicht gerade auf der Transitstrecke unterwegs ist, auf der täglich Millionen LKW pendeln und die Straße breiter ist als 3m. J.P. war auch nicht sehr einsichtig, er meinte, die anderen könnten doch bitteschön warten, bis er mit seinem Regelverstoß fertig ist, bevor sie weiterfahren. Alles in allem brauchten wir ungefähr eine Viertelstunde für die 200 Meter, danach standen wir wieder im Stau. Wir waren jetzt schon 10 Stunden unterwegs und ich hatte J.P. mehrfach angeboten, das Steuer zu übernehmen, er hatte immer abgelehnt, fühlte sich noch fit und wollte unbedingt weiter fahren. Jetzt stellte ich wieder diese Nachtsichtschwäche bei ihm fest und wurde autoritär. Er gab auf und ließ mich fahren. Irgendwann erreichten wir endlich die Grenze zu Ungarn, glitten relativ unerkannt durch und machten dann, infolge einer Baustelle und eines völlig verwirrten Navi's eine kleine Stadtrundfahrt, bevor wir wieder auf den richtigen Weg fanden. Als wir Ungarn etwa zur Hälfte durchquert hatten, zeigte das Navi eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 36 km/h an und ich war total erfreut. Einen 36er Schnitt musst Du in Walldorf auf der Kartbahn erst mal schaffen!
Aber auch Ungarn schafften wir, dann Österreich und schliesslich näherten wir uns dem Tankhof Irschbergen bei München. Ich hatte zwischendurch auch meine 10 Stunden Fahrzeit abgerissen, J.P. war dann wieder zwei Stunden eingesprungen, in denen ich auf dem Beifahrersitz geschlafen hatte. Dann war J.P. aber zu müde und ich hatte wieder übernommen. In Irschbergen trafen wir den Weltmeister Julian B(r)echer und übergaben ihm sein Material. Ich hatte den Kerl ja am Montagmorgen gar nicht mehr gesehen und umarmte ihn erst mal. Das Jubeln schränkten wir stark ein, der Parkplatz war voll mit Rentnern, die gerade mehreren Reisebussen entstiegen waren und in die Raststätte strebten um dort Magnetarmbänder, Wärmedecken und silberne Kaffeelöffel fast geschenkt zu bekommen.
Nach dem Umladen irrten J.P. und ich über die Raststätte, um das normale Restaurant zu finden, in der amerikanischen Schnellfrikadellenbraterei wollten wir beide nicht essen. Das Restaurant versteckte sich hinter mehreren Bäumen am Ende des Rastplatzes, aber wir fanden es trotzdem. Ich gönnte mir einen schönen Salatteller und ein Schnitzel, J.P. wählte die Roulade, eine gute Mahlzeit war jetzt angesagt, wir waren schon über 24 Stunden unterwegs. Nach der Mahlzeit und mehreren Litern Kaffee fühlte ich mich fit für
den letzten, kleinen Rest der Strecke. Schlappe 600 km trennten uns von Bensheim und danach wäre es nur noch ein Katzensprung. Ich rief Tommy an und teilte ihm den aktuellen Stand der Reise mit. Das Navi zeigte 10 Stunden an, aber wer sich schon im Weg irrt, hat mein Vertrauen verloren, ich rechnete mit 7 Stunden bis Bensheim.
Tja, was soll ich sagen? In Deutschland war das Navi wieder auf sicherem Boden, kannte das Verkehrsaufkommen besser als ich und gewann den Wettbewerb um die beste Prognose. Als wir in Bensheim ankamen, war es fast schon dunkel, es nieselte und Yannis, der uns empfangen sollte, war nicht da. Ich telefonierte mit Tommy, der konnte mich aber auch nicht trösten. Insgeheim hatte ich erwartet, dass mehr Leute da wären, um die Umladeaktion zu erledigen. Da ich nun mit J.P. allein da stand, auf Yannis warten musste und danach immer noch 3 Stunden fahren sollte, war ich schlecht gelaunt. Das bekam Tommy dann zu spüren, als ich ihn nach Yannnis und Nico's Ankunft anrief, um nachzufragen, welche Sachen in dem Truck denn nun von ihm oder von Lars seien. Yannis und Nico hatten natürlich keine Ahnung davon, welche Kiste oder Bierbank von Lars waren und welche von Tommy. Ich hätte das vielleicht unterscheiden können, war aber inzwischen viel zu müde, um mein Hirn anzustrengen.
Wir packten das Zeug aus dem Truck in Yannis Auto und in den T4 und den Anhänger vom Vierauge und verabschiedeten uns dann von den Beiden. Yannis hatte übrigens eine neue Frisur, Kurzhaarschnitt. Sah ziemlich fesch aus, der alte Grieche.
Die letzten 250 km prügelte ich den T4 über die Autobahn, lieferte mir lustige Rennen mit einem portugiesischen LKW Fahrer und ein paar bekloppten BMW Fahrern. Ich glaube, es war nach 21 Uhr, als wir in Iserlohn ankamen, kann mich aber nicht wirklich daran erinnern. J.P. wurde nach Hause gebracht, ich trank mit Tommy solange Bier, bis auf dem Küchentisch kein Platz mehr für das Leergut war und danach fiel ich ins Bett und in einen tiefen Schlaf.
Den nächsten Morgen verbrachte ich mit Petra, die mir aus der Parallelwelt erzählte und mich dann, gegen Mittag, zum Autoverleiher brachte, wo ich den Nissan Note übernahm und nach Hause fuhr. Das Ding regelte doch tatsächlich bei 5000 U/min ab.................



ENDE

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Re: Ich möchte Euch gern eine Geschichte erzählen

Beitrag von triplesmart »

OK, es gibt offensichtlich eine maximale Anzahl von Zeichen pro post. Gut zu wissen.

Les ich später auch gern durch.

Dirk
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Re: Ich möchte Euch gern eine Geschichte erzählen

Beitrag von nopanic »

Ja, ich musste splitten. 60000 Zeichen maximal. :grin:
Gruß, Klaus (nopa)
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