Moin.
Manchmal gibt es nix zu sehen, sondern nur was zu erzählen.
Bei den letzten Ausfahren des vergangenen Jahres bestätigte sich immer mehr, was ich schon länger ahnte: Der alte Gleichläufer war nicht mehr wirklich gesund. Diverse Klötergeräusche bei unterschiedlichen Drehzahlen und Lastzuständen, ein immer weiter ansteigender Ölverbrauch und sehr geringe Kompression auf dem rechten Zylinder ließen den belastbaren Rückschluss zu, dass Handlungsbedarf war. Die Karre ist sicherlich nicht unermesslich wertvoll, hat aber schon einen recht soliden Marktwert, den man durch einen handfesten Motorschaden mal schnell halbieren kann. Das wollte ich nicht und da ich meine Grenzen als Mechaniker kenne und auch über viele Montage-, Demontage- und Mess-Werkzeuge, sowie die Erfahrung, diese sinnbringend einzusetzen, nicht verfüge, habe ich mich entschlossen, jemanden an den Motor zu lassen, der weiß, was er tut. Weil ich 2019 mal die Gelegenheit hatte, eine Commando zu fahren, deren Motor von ihm revidiert wurde, war für mich seitdem keine Frage, dass das der in der Szene als "Doc Norton" bekannte Dieter Cordes sein sollte. Dies erschien mir sinnvoller, als ein "Jugend forscht"-Projekt daraus zu machen - bei einer XS 400 wäre ich da sicherlich schmerzfreier gewesen.
Also habe ich Dieter den Haufen Anfang November auf den Hof geschoben. Keinen Augenblick zu früh, wie sich herausstellen sollte...:
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Pandemiebedingt gehört es ja mittlerweile zum guten Ton, mal das Fenster zu öffnen und zu lüften, aber das hätte wohl auch in diesem Fall schwerstens ins Auge gehen können. Na ja - sonst war eigentlich alles gar nicht ganz so schlimm, obwohl natürlich ein alter Fuchs wie Meister Cordes auch Kleinigkeiten findet, an denen ein Dilettant wie ich mit offenen Augen dran vorbei und ins Verderben laufen würde. Aber das war ja auch Sinn des Plans, einen Fachmann dran zu lassen.
Anfang Dezember hatte Dieter mehr und ich weniger Geld als vorher, er wieder Platz und ich ich mein Motorrad zurück. Blöd nur: Ich hatte keine Gelegenheit zu fahren. Zu nass, zu kalt, zu Salz, zu keine Zeit - irgendwas war immer. Merkwürdig war natürlich, dass der Bock wochenlang in der Garage stand, ohne einen einzigen Öltropfen auf den rissigen alten Estrich zu pieseln - und das bei korrekter Füllmenge.
Letzten Freitag dann habe ich in einem Anflug der mir eigenen Genialität und Fähigkeit für perfektes Timing den Motor zum ersten Mal gezündet. Sehr weise - so wie sich die Witterung zur Zeit entwickelt, wird es für lange Zeit die einzige Möglichkeit gewesen sein. 40 Meilen später dann die Erkenntnis, alles richtig gemacht zu haben. Obwohl noch im Einfahrmodus, merke ich, dass die Welt wieder in Ordnung ist. Die alte Dame tritt an wie ein Kinnhaken von Mike Tyson, läuft wie Schlagsahne und hat ein Standgas wie ein Lanz Bulldog. Es kickt sich nur nicht mehr ganz so easy wie vorher...
Das Bild entstand, als ich die Karre an der Tanke abgestellt hatte, um das Ganze mit einem Zigarettchen zu feiern. Von dem Daumen, den ich von einem vorbeirollenden Golf7-Fahrer kassierte, kann ich mir zwar nix kaufen - er passte aber einfach schön zu meiner Gemütslage.
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Dem aufmerksamen Betrachter wird vielleicht auffallen, dass Dieter Kickstarter letztes Jahr dann doch irgendwann noch die fehlenden beiden Blinker wieder verfügbar hatte, so dass ich jetzt die Fahrtrichtung nach allen Regeln der Kunst anzeigen kann (Ich weiß, dass die Montage der hinteren gegen das offizielle Reglement verstößt - es juckt mich nicht). Ich finde diese Blinker extrem schön und eine wunderbare Alternative zwischen den in dieser Epoche verbauten, grobschlächtigen Originalteilen und vollkommen unpassendem LED-Krempel. Würde ich jedem ans Herz legen, der einen hochwertigen, kleinen Blinker in klassischer Optik verbauen möchte - die Verarbeitung der Dinger ist für den aufgerufenen Kurs ein Traum. Ich habe lediglich noch die verzinkten Sechskant-Klemmschrauben gegen VA-Linsenköpfe getauscht. Natürlich leider metrisch, aber irgendwas ist ja immer...
Was ich dieses Jahr an der Karre machen werde? Das kann ich euch sagen. Fahren, fahren, fahren. Zwischendurch mal bissel Öl wechseln und Ventilchen einstellen und das war's. Hoffe ich zumindest.
Gruß,
Markus
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