Hach, da schneit es draußen im Bundesstaat Maine und ich komme dazu hier herumzustöbern. Da muss ich doch glatt noch einmal meinen Teil zu dieser "Begriffsdefinition" geben, auch wenn ich das schon einmal in Kurzfassung getan habe.
Sehen wir es einmal so, die 60er/70er sind lange her. Ich persönlich sehe mir hin und wieder gern einmal eine Aufnahme aus dieser Zeit an und bewundere, wie sich Gleichaltrige (wie ich heute mit 22) damals trafen und ein Leben abseits von Alltag und Medienbestrahlung hatten. Und ja, mal über die Stränge schlagen gehört auch dazu.
Mein Motorrad habe ich gebaut, weil es mir Spaß machte, mein Vater es mir vorgelebt hatte und die Erinnerung, wie er mich das erste Mal auf dem Motorrad (damals auch eine umgebaute 550er) mitgenommen hat bis heute Bestand hat.
Es ging mir einfach darum etwas zu haben, womit ich auch meinen Spaß haben konnte. Etwas, das Fehler verzeiht, gutmütig ist und mit dem ich mich identifizieren kann. Aber auch etwas, das meiner Rücksicht und Pflege bedarf.
Es sollte agil und sportlich sein aber mir auch nicht in den Rücken treten, wenn es mal viele Kilometer geradeaus ging.
Es sollte etwas lauter sein, anders sein und es sollte bemerkt werden, dass sich dort jemand Gedanken gemacht hat und Zeit investiert hat.
Leistung brauche ich nicht bis zum Abwinken, das Adrenalin und der Frohsinn seit der ersten Fahrt nach so vielen Monaten des Schwitzen und Fluchens reichen mir definitiv für ein paar Jahre.
Blauäugig habe ich mein Projekt damals schon als "Cafe Racer Umbau" beschrieben. Wenn ich nun darüber nachdenke, existierte dieser Begriff nur auf dem Papier (also in meinem Blog).
Wenn ich in der Garage saß und den zerschnittenen Tank eines alten Mopeds gefühlte 3 Stunden auf der Sitzbank hin und her schob, bis ich die richtige Position für den angehenden Höcker gefunden habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht "Hey, so muss der Höcker sein für einen Cafe Racer". Nachdem die ersten Schweißpunkte saßen, habe ich bloß daran gedacht, dass es mir so gefällt wie es ist.
Wenn ich nun mit dem Krad durch die Gegend fahre und mal hier mal dort anhalte, kommen ständig Kommentare wie "Netter Cafe Racer" oder auch (entschuldigung) blöde Phrasen wie "Was sollen denn die Soziusrasten daran? Das ist doch nix für einen Cafe Racer".
Ja, toll, bravo. Wer hat denn gesagt, dass Cafe Racer keine Möglichkeiten haben, deine schlanke Freundin auf eine Tour zu zweit mit zum Badesee zu nehmen oder einfach am späten Abend raus zu fahren und die leeren Straßen zu zweit zu genießen? Und das ganze dann auch auf der Maschine, die dir genau (natürlich nicht ganz genau so) wie dieser Mensch ans Herz gewachsen ist?
Genauso wird man schief angesehen, wenn man mit Integralhelm daher gefahren kommt. Was soll das denn? Ich bin 22, ich bin nicht der erfahrenste Motorradfahrer und es gibt noch ein paar Dinge im Leben, die ich gerne erleben würde. Da sei es doch mir überlassen ob ich mich für ein Braincap oder den Integralhelm entscheide. "Das passe ja nicht zum Cafe Racer"...tztz
Ihr merkt schon, ich schweife aus. Für mich fällt unter den Begriff Cafe Racer nicht die vorgeschriebene Silhoutte eines Motorrads, oder den Fahrer mit gepatchter Lederjacke, sondern die Identifikation mit einer sportlichen Maschine, die dir etwas gibt und etwas nimmt.
Sie gibt Spaß, einzigartige Erlebnisse und gute Gespräche, die heut zu Tage in Smartphonezeiten leider selten werden.
Sie nimmt dir Zeit und Nerven, sie verlangt dir etwas ab, aber du bist später glücklich diese Dinge da hinein gesteckt zu haben und nicht in irgendwelchen sinnlosen Kram.
Und wenn ich nun noch einmal diesen Begriff anwende, dann für Motorrad und Fahrer, die im Paket den Cafe Racer bilden.
Für mich gehören jedenfalls moderne Maschinen nicht dazu, die auf Knopfdruck da sind, dir keine Einschätzung dank ABS und Tankanzeige und Lamdasonde abverlangen.
Kein "Cafe Racer" wird dich sofort von A nach B bringen ohne vorher deinen Schweiß und Fluch beim Kicken (und ja, auch manchmal etwas längeren Anlasserorgien) als Tribut für eine belohnende Fahrt zu fordern.
Ich habe also meine Meinung darüber, ab wann die Maschine oder der Fahrer ein Cafe Racer ist. Denn so haben die Jungs und Mädels von damals genauso gedacht. Und wenn die Jugend, oder die jüngeren von heute sich ältere japanische Bikes kaufen, dann hauptsächlich weil es günstig ist und man im schnellen Lebenswandel halt nicht das Geld dazu hat sich eine alte Engländerin zu kaufen. Deswegen sind sie aber umso mehr "Cafe Racer", denn die Ideologie dahinter hat sich nicht geändert:
Machs nach deinem Budget,
machs nach deinem Willen,
mit deinem Schweiß,
mit deinem Herzblut,
mit deinen Nerven,
mach es sportlich, individuell und so wendig wie deinen Lebensstil.
Am Ende kann es dann passieren, dass dich andere mit deinem Motorrad als Cafe Racer bezeichnen, auch wenn du das nie wirklich beabsichtigt hast und keine Patch-Lederjacke mit Jethelm trägst während du mit deiner Freundin zum Badesee fährst.
So, fertig. Ende vom Lied/Leid
