Es war mal wieder soweit. Letzten September, Anfahrt auf eine Spitzkehre irgendwo in der schönen Eifel. Da meine Doppelduplex vorne ne Diva ist und nicht immer wie gewünscht verzögert, habe ich gelernt die hintere Bremse mit zu benutzen. Sie ist quasi meine Lebensversicherung.
Aber jetzt war es wieder mal soweit. Beim Anbremsen der oben erwähnten Spitzkehre, ließ mich meine hintere Bremse im Stich. Zum Glück verzögerte die Grimeca vorne doch etwas und die Q lief sauber durch die Spitzkehre. Für den weiteren Verlauf der Fahrt war ich vorgewarnt und sie tut auch nichts zur Sachen hier und sollte deshalb unerwähnt bleiben.
Zuhause angekommen wartete ich bis der Auspuff wieder kühler war und baute mein Hinterrad aus. Ich konnte sehen wie das Öl des HAG (Hinterradgetriebes) sich über die gesamte Fläche der Bremsbacken und der Bremstrommel verteilte. Es sind die Momente wo man sich wünscht, dass man ne Kette zur Kraftübertragung hätte. Gut ich hatte aber nun mal Kardan.
Da das HAG mit einem großen Simmerring am Zahnkranz abgedichtet wird, glaubte ich zunächst an diesen Übeltäter. Aber das Öl kam nicht außen am Zahnkranz, sondern drängte innen aus dem HAG ins Freie (Pfeil). Mist der kleine fiese Simmerring, bei dem das ganze HAG zerlegt werden muss ist hin.

So ging ich auf die Suche nach einer Anleitung wie das Ding am einfachsten rauszubekommen sei. In der Nachbarkneipe bei den 2-Ventilern bekam ich prompt Hilfe wie man den großen Ring ausbaut, das HAG zerlegt, aber nicht wie ich an den kleinen Ring komme. Zu dem vor dem Ring ein Nadellager sitzt, für das die Münchner stolze 77€ aufrufen.
Eigentlich sollte das Öl, wenn der kleine Ring mal nicht mehr dichtet unten über eine Bohrung aus dem HAG abtropfen, eigentlich. Sicher hatte ich beim letzten Ölwechsel ein Öl mit sogenannter Fuzzi Logik erwischt. Ihr wisst ja, das ist die Logik, wo die Thermoskanne im Sommer weiß, dass sie mein Mostschorle kalt halten muss und im Winter den von mir geschätzten Glühwein warm halten soll. Also eben diese Fuzzilogik musste wohl auch in meinem Öl stecken. Denn während normales Wasser oder normales Öl einfach an dem Loch unten am HAG abgetropft wäre, dachte sich das Fuzziöl, hey ich bin zum Schmieren geboren, und da in dem dunklen Gehäuse reiben zwei Dinge aufeinander und ohne Schmierung verschleißt das womöglich oder reibt sich auf….geht ja garnet. So beschloss mein Fuzziöl sich geduldig zwischen Bremsbacke und Trommel zu legen und seine ihm auferlegte Aufgabe des Schmierens zu erfüllen. Ein Hoch auf die Fuzzilogik, tja wenn es nicht gerade meine hintere Bremse wäre.
Da ich aber zu faul war um den defekten kleinen Simmering auszutauschen und im September die Sonne so schön lachte, entschied ich mich kurzerhand vom Krad nebenan den HAG zu wechseln und den Spätsommer lieber auf den kleinen Eifelsträßchen zu genießen als in meiner einsamen Garage.
Naja irgendwann musste ich aber doch mal ran, denn das Nachbarkrad will ja auch mal wieder auf die Piste. Also an Sylvester bei herrlichem Sonnenschein aber doch schon tieferen Temperaturen die dicke lange Unterbutz unter den Blaumann gezogen und raus in die Garage. Da wie oben erwähnt die Anleitung zum Zerlegen des HAG bei der Nachbarkneipe erhältlich ist, habe ich diese ausgedruckt und ging frohen Mutes ans Werk. Habt ihr schon mal bei minus 6 Grad Getriebeöl aus einer M12 laufen lassen? Das ist wie wenn man versucht die blöde eisgekühlte Butter bei McDonalds auf ein heißes Croissant zu streichen – geht garnet.
Jetzt schlägt die Stunde des Junggesellen oder Wittwers, der nicht mehr mit Nackenschlägen rechnen muss. Ich habe doch einen Backofen. Der ist denke ich mal nur für das Aufwärmen von Tieflühlpizzen ist er unterfordert. Aber so ein HAG auf Temperatur zu bringen, das ist doch mal was. Also rein mit dem Ding und erstmal ne halbe Stunde auf 50 Grad erwärmt. Da kann man es noch anpacken und auch das dickste Getriebeöl fließt wie die Butter von McDonalds auf dem heißen Croissant.
Nach dem Entleeren und Öffnen durfte dann das HAG nochmal ins warme um auf ca. 100 Grad Umluft für 40 Minuten warm zu werden.

Damit der geneigte Leser auch verstehen kann was so ein alter Indianer in seiner frischen Garage so treibt, habe ich einmal die Expolsionszeichnung hier angefügt und die Wellendichtringe markiert.
Mit dem so erwärmten HAG ging es wieder in die doch frische Garage um dann mit 2 – 3 beherzten Schlägen – nee net auf den Hinterkopf, auf die Mittlere Buchse im HAG diese auszutreiben.

Sorry für die unaufgeräumte Werkbank, für alle die meinen, Unordnung sei ein Zeichen von Schwäche, möchte ich zurufen: „Wir Genies überblicken das Chaos“


So liegt nun die Hülse vor mir und ich kann mit einem beherzten Griff ins warme Nadellager dies ebenfalls entfernen.

Hurra es lebt noch und die 77€ für ein neues Lager sind mit Sicherheit besser einem gierigen Tankstellenbesitzer in den Rachen geworfen als dem freundlichen BMW Händler um die Ecke. Dieses Lager ist leider kein Normteil wie die meisten Lager an meiner Kuh.

Und sollte es wirklich mal defekt gehen, ich weiß ja jetzt wie ich es schnell wechseln kann

Dann kommt der Übertäter zum Vorschein und ich habe ihn gefragt, was ihm einfällt so einfach nach weit über 30 Jahren seiner Aufgabe der Wellenabdichtung nicht mehr nachzukommen. Irgendwie war er sprachlos und musste unter meinem brutalen Schraubenzieher dann weichen.

Aber nicht wegwerfen, ausser ein schlechtes Vorbild für den neuen Ring zu sein, benötigt ihr den um den anderen Ring damit wieder einzutreiben. Nachdem das Gehäuse wieder im Backofen auf 100 Grad erwärmt wurde.
Der Ring ist ein Normteil und ist bei den üblichen Verdächtigen die solche Normteile verhökern für ein schmales Geld erhältlich. Es ist ein ganz normaler Wellendichtring 32 x 42 x 7. Und mit 1,40 € auch nicht der teuerste.
Nun für alle, die sich vor einer solchen Arbeit fürchten. Hier ist das geöffnete HAG und solange ihr die Lager nicht austauscht und alles so wieder zusammen baut wie ihr es vorgefunden habt – gut neue Dichtungen sind schon wichtig, müsst ihr den Winkeltrieb auch nicht neu ausdistanzieren. Aber dafür gibt es auch genügend Anleitungen im Netz.

So jetzt kommt noch ein wichtiger Teil. Damit es in eurer Küche – bei mir ein offener Raum zum Esszimmer wieder erträglich wird und nicht nach dem penetranten Getriebeöl riecht, kramt ihr den alten Räucherstäbchenhalter aus eurer Hippie oder Nachhippiezeit hervor, klemmt ein solches Räucherstäbchen ein und hofft beim Anzünden, dass das überalterte Teil auch noch glimmt. Der Backofen wird spätestens nach der nächsten Tiefkühlpizza wieder riechen wie immer


Viel Spaß beim Basteln
Gruß
der Indianer