Nach fast einem Monat Pause der siebte Teil der Umbau-Story:
Hintere Bremsanlage (07.2020):
Nachdem die Schwinge eingebaut war, widmete ich mich der hinteren Bremsanlage um diesen Bereich der Schwinge abzuschließen. Aufgrund meiner Teilesammlerei im Vorfeld des Umbaus hatte ich, neben den Teilen der zerlegten XS auch noch eine weitere Bremspumpe, mehrere Bremszangen und Momentabstützungen „am Lager“. Die Teile sahen alle nicht mehr prickelnd aus und für die Bremspumpe und die Bremszange standen sowieso eine Revision an. Unaufbereitet wollte ich an meiner Projekt-XS nichts verbauen. Und vor allem bei meinen „technischen Lebensversicherungen“ wollte ich absolut auf Nummer Sicher gehen!
Der Aufwand für die optische Aufarbeitung der Teile war bei der Momentabstützung der Bremsankerplatte und der Bremszange schon erheblich. Mit einem einfachen Putzen wäre es nicht getan gewesen, eher Glasperlstrahlen und dann Lackieren bzw. Pulverbeschichten. Routinemäßig schaute ich mal bei „Piet’s Youngtimer“ vorbei und wurde auch fündig. Zu einem akzeptablen Preis eine komplette Einheit Momentabstützung, Ankerplatte und Bremszange frisch pulverbeschichtet, also her damit! „Piet’s Youngtimer“ wies aber ausdrücklich darauf hin, dass die Zange ohne Bremskolben geliefert wird. Das war mir sogar recht, so konnte ich einen Bremskolben aus Edelstahl einbauen, der samt Überholsatz in England bestellt wurde.
Lieferzustand – optisch traumhaft!
2 Tage später waren die Teile von „Piet’s“ da und ich baute die 3 Teile erstmal auseinander. Bei der Bremszange fiel mir auf, dass alle Passflächen sauber waren, auch die Bohrung für den Kolben war ok, aber nicht sauber poliert. Wenn da Pulver reingekommen wäre, wäre die Zange Schrott gewesen! Ein leichtes Polieren der Innenflächen der Bohrung von Hand würde also genügen.
An der Zange ist unten ein Auge mit einem Gummipuffer, in dem ein Stahlbolzen steckt. Dieser ist dafür verantwortlich, dass die Zange der Schwimmsattelbremse sauber waagerecht geführt wird. Aber da rührte sich nichts! Es sah zwar gut aus, aber der Bolzen ließ sich nicht bewegen. Im Ernstfall würde dies dafür sorgen, dass die Bremsleistung erheblich verringert wird! Diesem Problem musste ich mich unbedingt annehmen! Als erstes drückte ich den Bolzen raus, was mir mithilfe meines Schraubstocks, einer Schraube und einem Kunststoffhammer auch gelang. Nachdem der Führungsgummi auch entfernt war, konnte ich sehen, woran es lag. Die Bohrung war nicht abgeklebt worden, so dass diese mit gepulvert worden war. Nachdem ich meinen Messschieber konsultiert habe und das Maß mit einer der unbehandelten Zangen verglichen habe war es klar. Die Pulverbeschichtung hat die Bohrung auf 18,85 mm um rund 1,5 – 2 Zehntel mm zum Nennmaß 19 mm verkleinert. Da die Mimik relativ spielfrei ist, reicht das schon aus, damit die Funktion nicht mehr gewährleistet ist. D.h. die Bohrung musste wieder um die 1,5/10 mm vergrößert werden. Einen normalen 19mm-Bohrer dafür zu verwenden ist aber eher eine Wette als genaues Arbeiten. Bei so geringen Maßen und in das relativ weiche Aluminium hat der Bohrer freies Spiel für die tollsten Kapriolen – nicht das ich hinterher eine Bohrung mit 19,3 mm habe, das wäre zu viel! Also musste ich eine Reibahle mit 19mm verwenden (19H7), um hier den Durchmesser sauber auf das korrekte Maß zu bringen.
Am nächsten Tag bin ich während einer Arbeitspause in die Werkstatt meines Brötchengebers gegangen und habe nach einer 19mm-Reibahle gefragt. Nach kurzem Suchen hatte ich diese in der Hand und dann wurde die Bohrung auf einer Ständerbohrmaschine aufgerieben, nachdem ich die Zange sauber ausgerichtet und im Maschinenschraubstock festgeklemmt hatte. Die Bohrung hatte jetzt 19,03 mm Durchmesser und die Oberfläche war top!
Um alle Eventualitäten abzudecken, wurde dann auch noch die Achsbohrung im Bremszangenträger und der Momentabstützung geprüft. Auch hier war Pulver in die Bohrungen gekommen und anstatt 1/10 Spiel lag hier durch den Materialauftrag eine Presspassung vor, d.h. die Hinterradachse hätte ich nur mit einem fetten Gummihammer durch die Bohrung treiben können! Also auch hier mussten die Bohrungen mit einer Reibahle 20H7 aufgerieben werden, was dann aber schnell erledigt war (s.o.).
Dann wurde die Bremspumpe überholt. Im ersten Schritt zerlegte ich die beiden vorhandenen Bremspumpen komplett und reinigte diese gründlich von den Resten kristallisierter Bremsflüssigkeit. Dann reinigte ich die Deckel und den Gummi des Bremsflüssigkeitsbehälters. Den Gummi behandelte ich mit Gummipflegemittel, das ich gründlich einmassierte, bis der Gummi wieder sauber, geschmeidig und trocken war. Dann wurde die Bohrung des Bremskolbens gereinigt. Hier half mir ein Kurzwaffenreinigungsset enorm, da hier runde Messing- und Kunststoffbürsten in passender Größe enthalten sind.
Bremspumpenreinigungsappell:
Danach glänzte die Bohrung wieder! Als nächstes montierte ich auf den im Reparatursatz enthaltenen neuen Bremskolben den beiliegenden neuen Dichtungsgummi. Da muss man ganz schön aufpassen um den Ring bei der Montage nicht zu beschädigen und dabei ist auch unbedingt auf die korrekte Einbaulage zu achten! Zum Glück ging es leichter als erwartet und schon konnte ich den Kolben, leicht einbalsamiert mit dem beiliegenden roten Schmiermittel samt Feder und Druckplatte in die Pumpe einsetzen. Das Ganze wurde dann noch mit dem Seegerring montiert und der Gummibalg über das untere Ende des Bremskolbens und der Pumpe gezogen. Der Bremskolben ließ sich wunderbar bewegen und wurde von der eingebauten Feder auch wieder sauber zurückgedrückt. Als letztes setzte ich den Deckel wieder auf und schraubte diesen mit 3 Edelstahlbundmuttern auf dem Behälter.
Links die nicht verwendete (und zerlegte) – rechts die einbaufertige Pumpe:
Mittlerweile hatte ich auch eine Stahlflexleitung und die passenden Bremsbeläge gekauft und dem (Test-)Einbau des Hinterrades und der Bremsanlage stand nichts im Wege. Aber vorher wurde noch die Originalbremsscheibe am Hinterrad der XS850 mit ihren 7 mm Dicke gegen eine Bremsscheibe der XJ650 (5mm Dicke) getauscht, da perspektivisch hier eine Umrüstung auf eine schwimmende Ersatz-EBC-Scheiben der XJ650 am Hinterrad angedacht ist. Zum Probeeinbau wurde auch das XS850-Gussrad verwendet, da das passende Drahtspeichenrad zum einen ohne Reifen und zum andern noch nicht „renoviert“ ist. Das kommt erst viel später, als krönender Abschluss!
Um mir die Arbeit schwer zu machen, montierte ich vorher aber noch den gereinigten Kunststoffinnenfender und schraubte diesen an der hinteren Rahmenbrücke fest und verlegte das Kabel für den Sicherungskasten in die vorgesehenen Clipse.
Dann montierte ich die Stahlflexleitung mit dem vorgeschriebenen Drehmoment an die Hinterradbremspumpe, fädelte das Ganze in das Rahmendreieck ein und schraubte die Pumpe mit 2 Edelstahlinbusschrauben am Rahmen fest. Nun setzte ich das Rad in das Umlenkgetriebe ein und hängte die Momentabstützung in den Bolzen der Schwinge. Der dort heimische Gummipuffer hatte sich schon lange unerlaubt von der Truppe entfernt und musste ersetzt werden. Es hat mich einiges an Suche im Internet gekostet, bis ich eine passende Kabeleinführungstülle gefunden hatte, die die richtigen Maße besaß! Dann wurden die Momentabstützung, die Distanzbuchse und die Bremsankerplatte in die Hinterradachse eingefädelt und die Achse durchgesteckt und „handwarm“ angezogen.
Die Bremsplatten wurden in den Bremsanker eingesetzt, die Bremszange darübergestülpt und der Führungsstift eingeschraubt. Zum Schluss wurde der Fitting der Bremsleitung ausgerichtet und mit dem vorgegebenen Drehmoment an der Bremszange angeschraubt. Bremsflüssigkeit wird aber vorerst noch nicht eingefüllt, das wäre jetzt zu diesem Zeitpunkt mehr Lästig als Nützlich. Das reicht auch noch kurz vor der Inbetriebnahme, wenn alle anderen Arbeiten abgeschlossen sind.
Bremsanlage hinten fertig montiert:
Als letztes baute ich noch probehalber den rechten Stoßdämpfer ein. Hier würde ich gerne einen Dämpfer mit Ausgleichsbehälter der XJR verwenden. Nach der Montage stellte ich aber mit Schrecken fest, dass der Ausgleichsbehälter im Bewegungsbereich der Bremszange liegt. D.h. wenn die Schwinge einfedert, würde die Bremszange unweigerlich mit dem Ausgleichsbehälter des Stoßdämpfers kollidieren. Jetzt ist natürlich guter Rat teuer! Wie ich das Ganze löse, muss ich mir mal durch den Kopf gehen lassen. Aber so ist das halt des Öfteren wenn Vorstellungen auf die Realität treffen, aber das ist je gerade die Herausforderung des Ganzen!
An dieser Stelle war ich also erstmal fertig. Darum wendete ich mich wieder der Elektrik zu und bereitete die Zündspulen für den Einbau vor. Da im Werkstatthandbuch nirgends erwähnt wird welche Spule für welchen Zylinder zuständig ist, suchte ich erstmal im Triples-Forum nach Informationen. Da das wohl ein gängiges Problem ist, fand ich recht schnell einen entsprechenden Beitrag in dem alles genau beschrieben ist (vielen Dank an die Autoren!). Als das geklärt war, reinigte ich erst mal alle Spulen gründlich und schnitt auch die Gewinde der Befestigungsbolzen nach. Dank dem verwendeten Kunststoffreiniger schimmerten im Anschluss alle Spulen fast wie neu!
Linke Zündspule mit Kabelgewirr:
Dann montierte ich die Spulen und schloss diese an den Kabelbaum an. Auch mein weiter oben erwähnter „Masse-Kabelbaum“ wurde an die Befestigungsschrauben angeschlossen. Dann entfernte ich alle alten Zündkerzenstecker und kürzte die Zündkabel um rund einen halben Zentimeter und montierte neue Kerzenstecker auf die Zündkabel und schraubte zum Schluß handfest neue Zündkerzen in den Motor. Dabei verlegte ich auch noch den Kabelbaum, da der linke Strang im Bereich der Zündspulen auf die rechte Seite herüber geschwenkt werden musste.
Blick von rechts:
Sodele, jetzt ist erstmal Urlaub an der Reihe! Parallel bin ich gerade am konstruieren der Bremsscheibenadapter fürs Vorderrad und das Anpassen des USD-Gabelbrücke, was sich mittlerweile als nicht so trivial herausgestellt hat. Am Moped wird es die nächsten Wochen leider etwas weniger vorangehen!