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Engländer und deren Reputation

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nanno
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von nanno »

Wann sagt eigentlich einer etwas zur Qualität von Ural, IZH und Dnepr?
Das wäre dann vermutlich ich.

Aber zuerst zu meiner Backstory zu den Engländern. Es begab sich am Anfang meines Studiums, dass es hier im Oberösterreichischen Raum erstens kaum Engländerschrauber gab und zweitens ich Bekanntschaft mit einer Gruppe von Engländerfahrern geschlossen habe. Hat sicher nicht geschadet, dass ich zu der Zeit eine (nicht fahrbereite) 500er Enfield (Indien) hatte.

Zum Parallel-Läufer: Wenn man Vibrationen außen vor lässt und davon ausgeht, dass aufgrund der (kriegsbedingten - hier 1. WK) Stahlqualität, hoch elastische Stähle für die normale Industrie schwer in ausreichender Menge zu bekommen waren, dann ist das gar nicht so eine schlechte Idee. Das bissl Vibrationen ist weniger als in der Eisenbahn und jahrzehnte später würde man es als Charakter verkaufen. Auch nach dem 2. Weltkrieg war das alles gar nicht so eine schlechte Idee, viel Drehmoment aus verhältnismäßig kleinen Einzelhubräumen kombiniert mit dem langen Hub, perfekt um zB einen Beiwagen zu ziehen.

Schluss mit dem Exkurs, zurück zu meiner Vorgeschichte, das Problem mit den diversen Engländern in meinem Bekanntenkreis war, dass sie einerseits ausgelutscht waren und andererseits oft von "Schraubern" eher zweifelhaft am Leben gehalten wurden. Was ich im Lauf der 2-3 Jahre, wo ich das ernsthafter gemacht hab an Oil-lite Buchsen angefertigt habe, wie oft ich irgendwas ausdistanzieren musste, das ging auf keine Kuhhaut mehr. Und die Elektrik - sicher Lucas ist kein Mitsubishi Electronics und auch kein Bosch, aber mit 5 Lusterklemmen pro Meter wäre bei denen auch nimma viel gegangen. Genau wie oben aber schon geschrieben, wenn ein Stator für 5 Motorräder passen muss und um die Toleranzen abzufangen übermaßige Bohrungen hat und man als Folge davon, den Stator mit Fühlerlehrenblättern dazwischen einbauen muss, um ihn zu zentrieren... Da waren die Japaner schon weiter.
Und dann erst die Amal-Vergaser: per se nicht schlecht, aber immer wieder die Vorbesitzer, die wegen undichter Dichtungen, die Schwimmerkammer noch ein bissl fester anknallen und dann willst du die Dichtfläche abziehen, legst sie auf die Glasplatte und siehst gefühlt die andere Seite. Drum, oh Stilbruch, so einen (einzelnen) Mikuni zu montieren und einzustellen... gar nicht immer das schlimmste was man tun kann. Mein Kumpel M. ist als Folge davon in einem einzigen Sommer mehr Kilometer mit seiner Triumph gefahren als die 5 Jahre davor, die ist nämlich plötzlich einfach angesprungen und hat nicht rumgesaftelt.

Zum Thema Russenmopeds: Als jahrelanger Dnepr-Fahrer (im Alltag) - die sind anders als ihr Ruf... vom Prinzip her noch viel übler. :mrgreen: Ernsthaft: in den frühen 00er Jahren konnte man mit einer Dnepr durchaus glücklich werden, weil man noch auf Militärbestände zurückgreifen konnte und damit für halbwegs erträgliches Geld (Preisniveau ca. BMW/Guzzi heute) gute Teile kaufen konnte. Hat halt keiner gemacht, weil es gab ja auch richtig billige Teile und wenn man die eingebaut hat... hats die halt im allgemeinen ganz schnell wieder zerlegt. Konstruktiv war an der Dnepr nicht viel falsch, sie war halt ein Motorrad aus den 60ern mit schludriger Fertigung. Hat man sie mit guten Teilen und wirklich nach dem orangenen Handbuch zusammengebaut, wars immer noch keine BMW (aus dem Osten), aber man konnte durchaus glücklich werden damit wenn man sich bewusst war, dass man einen ladenfrischen Oldtimer fährt. Zur 650er Ural: mit den verpressten Kurbelwellen konnte man ein Glück haben, meistens aber nicht. Verschweißen der KW ging auch nicht, weil dazu waren zu oft die Pleuellager hin. Dafür war das Motorgehäuse ein bissl schöner und es gab einen Ölfilter anstelle der Zentrifuge. Nervig waren auf die Dauer bei meinen Dneprs auch eher Kleinigkeiten, Sachen wie ständig versterbende Lichtmaschinen, Bremsbeläge vom selber Händler einmal in der Ausführung Stein, einmal Kaugummi. Chromfelgen, wo nach ein paar Wochen im Regen der Chrom einfach in Handteller großen Stücken runtergekommen ist. Inlandsfelgen die mal eine Spur zu groß oder zu klein sind, aber immer komplett unrund. Lustigerweise die ukrainischen Kartech (Kaptex) K68 Vergaser waren durch die Bank gut und auch die elektronische Typ-II Zündung hat immer unauffällig funktioniert, bis sie nicht mehr funktioniert hat. (Dann konnte man sie aber oft nachlöten...)

Izh... ist was ganz eigenes, man muss verstehen, dass wenn man aufs "flache Land" rauskommt, es in Russland plötzlich noch Izh und Minsk gibt. Ganz simple Gebrauchsmotorräder, nicht gedacht für den "recreational use", sondern um das geschlachtete Schwein zusammen mit 30kg Holz von A nach B zu transportieren. Und das ganze möglichst simpel und naja... noch simpler. Außerdem hat ein Zweitakter keinen aufwendigen Ventiltrieb der im Winter bei Minus 40 Grad zuerst mal mit zähflüssigem Öl geschmiert werden muss, sondern das kommt gleich mit dem Sprit mit. Warum irgendsowas wie Leistung, der langhubige (!) 350er Einzylinder der Planeta (Opa kennt ihn aus der IZH 49 oder 56), hat jede Menge Drehmoment und ist (relativ gesehen) sparsam. Außerdem, schon der Opa wusste wie man die repariert. Darüberhinaus: neue Kolben gibts im Supermarkt, genaus wie U-Kontakte. Wozu man da jetzt 12V braucht, wenns beim Opa 6V getan haben... naja, 6V Birnchen gibts halt nimma so oft. Und ja, es gab neben der Planeta auch noch die Jupiter, ein wilder Twin, lieblos zusammengeballert aus ähnlich schlecht passenden Teilen. Sowas wie der tiefergelegte Golf für die Dorf-Jugend... ernsthaft, die Jupiter hab ich nie ganz verstanden. Die Planeta als Nutzfahrzeug erschließt sich mir vollends und ich war mal drauf und dran meine damalige Jawa durch eine Planeta zu ersetzen. Hat glücklicherweise nicht geklappt und das Zugfahrzeug vom Beiwagen wurde eine SR500.
Wenn man das noch steigern will, dann nimmt man die Minsk. Die Minsk ist der feuchte Traum jedes kapitalistischen "new Economy" Controllers: Man nehme eine vollkommen veraltete Konstruktion und dann schaut man wo man noch was wegstreichen kann. Am Ende hat man ein Motorrad, dass so unglaublich billig produziert werden kann und dabei von so unpackbar schlechter Qualität ist, dass man es in Länder exportieren muss, die keine Landgrenze mit Russland haben (zB Vietnam - dort sterben sie auch langsam weg, aber vor ein paar Jahren waren die noch überall zu sehen, heute nur noch weiter draußen am Land, selbe Geschichte wie die IZH in Russland), weil man sonst Angst haben muss, dass die wer zurück bringt. :mrgreen:
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grumbern
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von grumbern »

Bollermann hat geschrieben: 27. Okt 2023 Aus eigener Erfahrung könnte ich zwar nur was mit vier Rädern beisteuern, was durchaus ähnlich wäre, aber ein Bekannter, der Konstrukteur bei Volkswagen war, sagte mir, daß so ziemlich alle Engländer, die er in die Finger bekommen hat, Mist waren.
Also eher eine Bestätigung dessen, was im Eingangsbeitrag bereits geäußert wurde: Äpfel, Birnen und Hörensagen. Die eingedickte Textpassage liest sich so allein gestellt übrigens fast schon als Vorwurf an die Fähigkeiten des guten Mannes und das nutze ich jetzt schamlos aus! :mrgreen:

Nahezu jeden Punkt, den Dein Kollege anprangert, kann man sicher auch bei VW finden :mrgreen:

Konstruktionen aus den 50er und 60er Jahren mit solchen aus den 90ern zu vergleichen - Hut ab, da gehört einiges an Flexibilität zu, was den Betrachtungsrahmen angeht! Was haben die hochgelobten Japaner noch mal in diesem Zeitraum auf den Markt gebracht, das noch zuverlässig fährt? Oh, dünn wird's...

Ob Bosch, Lucas oder Minarelli, haben die sich im relevanten Zeitraum auch nicht viel gegeben. Das sind wiederum ähnliche Mythen.

Übrigens: HD aus dieser Epoche sind schon sehr geil, aber noch um einiges teurer als sie schwer sind...

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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von martin58 »

Die Werkstätten könnten ihren Teil zur Verbesserung des eher schlechten Images der alten Engländer beitragen. Aber das passiert mangels Masse doch auch nicht.
Ich bin mit meinem Motorrad aus England ganz zufrieden. Die 16H läuft manierlich, startet sehr gut und verliert keine Schrauben, nachdem ich mich um sie gekümmert habe. Die Erwartungen an ein Krad mit EZ 1945 sind allerdings auch anderer Natur als bei modernem Zeugs aus den 80ern oder gar 90ern. Sehr gewöhnungsbedürftig ist allein das Schrauben- und Gewindewirrwarr.

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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von grumbern »

Was aber wiederum nichts bis wenig mit der Herkunft zu tun hat. So viele Leute, die germanisches Material aus den 40ern beschrauben und fahren, gibt's ja auch nicht... bzw. zitiert deren Gejammer nicht jeder, der sich seine anglophobe Alltagsmöhre schön reden muss :mrgreen:

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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von BoNr2 »

nanno hat geschrieben: 28. Okt 2023
Wann sagt eigentlich einer etwas zur Qualität von Ural, IZH und Dnepr?
Das wäre dann vermutlich ich.
...
Izh... ist was ganz eigenes, man muss verstehen, dass wenn man aufs "flache Land" rauskommt, es in Russland plötzlich noch Izh und Minsk gibt. Ganz simple Gebrauchsmotorräder, nicht gedacht für den "recreational use", sondern um das geschlachtete Schwein zusammen mit 30kg Holz von A nach B zu transportieren. Und das ganze möglichst simpel und naja... noch simpler. Außerdem hat ein Zweitakter keinen aufwendigen Ventiltrieb der im Winter bei Minus 40 Grad zuerst mal mit zähflüssigem Öl geschmiert werden muss, sondern das kommt gleich mit dem Sprit mit.
...
erinnert ein bisschen an meine 58er Pannonia (ausschließlich Beiwagenbetrieb). Im Vergleich zu anderen, die ich bei Treffen kennengelernt habe, scheine ich ziemlich Glück zu haben. Nach einigen anfänglichen Klemmern und gefühlt 100maligen "Einstellarteiten" an Vergaser (Schwimmer, Nadel, Düsen) und Zündung (beides mit Originalteilen) und nach dem Tausch einer gebrochenen Schaltgabel (durch eine nachträglich optimierte) und "Kleinkram" (Primärkette, Kupplung,..) läuft sie jetzt seit ein paar Jahren und mehreren Tausend kms relativ stabil (im Herbst/Winter besser als im Sommer). Fahrwerk, Radlager, "Bremsen", Speichen bisher keine Probleme. Interessant, weil bei anderen offenbar permanent Speichen brechen...

Übrigens: auch Königswellenducs (750s) können viiiiiiel zuverlässiger sein, als ihr Ruf... 80.000 km, original Ölkreislauf, Kurbelwelle, Pleullager, Unterbrecherzündung, etc....:oldtimer:

Glück auf
:prost:

Bollermann
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von Bollermann »

Das war mir schon klar, daß immer, wenn man erzählt, daß eine Beinamputation zu Einschränkungen beim Ballettanzen führt, irgendjemand daherkommt, dessen Arbeitskollege irgendeine russische Großmutter kennt, die sogar ganz ohne Beine Gummitwist tanzen kann.
:rockout:

Meine Aussagen beziehen sich übrigens auf die "alten" Engländer aller Marken; nicht die späteren Triumph unter der Leitung von John Bloor in Hinckley.
Die haben konstruktiv und qualitativ nichts mehr mit den alten Rüttelplatten mehr zu tun.
Das nur, weil hier einige ihre Erfahrungen mit den neueren Modellen haben einfließen lassen.
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TortugaINC
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von TortugaINC »

sven1 hat geschrieben: 28. Okt 2023 Wann sagt eigentlich einer etwas zur Qualität von Ural, IZH und Dnepr?
Bis in die späten 90er Miserabel.

Gruß
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Bollermann
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von Bollermann »

Produzieren die überhaupt noch?
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grumbern
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von grumbern »

Bollermann hat geschrieben: 28. Okt 2023 Meine Aussagen beziehen sich übrigens auf die "alten" Engländer aller Marken;
Mit denen Du 0,0 Erfahrung hast, sie aber mit moderneren Fahrzeugen anderer Hersteller vergleichst, oder? So viel zu tanzenden Großmüttern. :unbekannt:

Bollermann
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Re: Engländer und deren Reputation

Beitrag von Bollermann »

Du hast doch gar keine tanzende Großmutter.
Kein Vergeben, kein Vergessen

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